Eine kleine Gruppe machte sich auf den Weg von Regler zur Pilgerkirche nach Schmira vor den Toren Erfurts. Unter ihnen auch eine „echte“ Pilgerin: Sophie, die schon in Görlitz gestartet war und an diesem Tag noch bis Gotha laufen wollte. Mit dem Pilgersegen im Gepäck ging der Weg zunächst durch die Innenstadt.
Verschiedene Impulse von Meister Eckhart begleiteten die Pilger, beginnend mit der Zusage: „Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist“ (RdU).
Eckharts Worte konnten die Fußpilger auf dem Weg bedenken oder sich mit anderen unterwegs darüber austauschen. An den Stationen Predigerkirche - der ehemaligen Klosterkirche Meister Eckharts - , Brunnen am Gothaer Platz und am Stadtrand konnte jeweils ein neues Wort gezogen werden.
Der Weg nach Schmira folgt dem Jakobsweg, dem großen europäischen Pilgerweg nach Santiago de Compostela. Immer wieder weisen die Pilgermuscheln oder Wegweiser darauf hin, z.B. „2940 km über Konstanz nach Santiago de Compostela“. Anwohner des Pilgerwegs haben die Schilder liebevoll gestaltet.
In Schmira angekommen erwarteten Frauen aus dem Pilgerkirchen-Team mit Gemeindepädagogin Friederike Hempel die Gruppe. Unter den Bäumen im Kirchhof hatten sie Tische und Bänke bereitet. Nach einer kurzen Andacht stärkten sich die Pilger mit einem Mitbring-Picknick im Schatten der Bäume. Eine Jakobspilgerin aus den Niederlanden, die an diesem Tag in der Kirche übernachtete, schloss sich gerne an und erzählte von ihren Wegerfahrungen.
Der Pilgertag endete mit der gesungenen Vesper zum Fest „Mariae Geburt“. Ein Teil der Pilger lief den Weg nach Erfurt auch zu Fuß wieder zurück.
„Ich strecke mich aus nach dem, was vor mir liegt“ Mit diesem Augustinus-Zitat aus den Confessiones (conf IX, 10) lud Dr. Gabriele Ziegler (Münsterschwarzach) zum Einkehrtag am Fest der hl. Monika, der Mutter des hl. Ordensvaters Augustinus.
Tatsächlich haben wir uns erst einmal ausgestreckt. Wirklich. Körperlich. Ich stehe aufrecht und strecke mich aus, mitten im Chor der Reglerkirche.
Ach ja, diese Kirche macht mich weit, zieht mich nach oben und birgt mich doch so, dass ich innerlich zur Ruhe komme. Der Raum tut mir gut...
Später schreiten wir noch einmal ganz von hinten das lange Kirchenschiff nach vorne: in voller Länge - an die 50 Meter, schreiten Stufe um Stufe empor zum Altar: ganz nahe an den prächtigen Regleraltar, dessen Goldgrund uns die Heiligen und den HERRN selbst wie im aufgeschlagenen Buch der Ewigkeit zeigen. Wir berühren den Altarstein und blicken nach oben – oder schließen die Augen. Die gekrönte Jungfrau Maria im Zentrum steht ebenfalls ganz aufrecht. Der HERR richtet auf...
„Meine Seele, warum bist du betrübt und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott. Denn ich werde ihm noch danken, meinem Gott und Retter, auf den ich schaue.“ Der Doppelpsalm 42/43 begleitet uns durch den Tag. Er nährt die Zuversicht und erinnert mich an den aufrechten Gang.
Eine kleine Buchmalerei zeigt die Seele als menschliche Gestalt. Niedergeschlagen sitzt sie auf einem Berg: Das Kinn auf die Hand gestützt, zieht sie eine richtige Flunsche.Vor ihr ein Jüngling mit grünen Beinlingen. Er spielt die Laute. Das Lied des Lebens erklingt. Wird sich die Seele anstecken lassen, auf die Füße springen, mitsingen und tanzen? Wird sie sehen, dass um sie herum längst die Blüten blühen und frisches Grün ausgetrieben ist? Der junge Lautenspieler, Christus, ist scheinbar ganz in die Musik vertieft. Doch sein Fuß zeigt auf ein Wort: spes – Hoffnung!
„Meine Seele, warum bist du betrübt und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott. Denn ich werde ihm noch danken, meinem Gott und Retter, auf den ich schaue.“
In der Mittagspause machen wir einen Abstecher zum Fischmarkt. Die fünf Sinne auf den Reliefs am Gildehaus laden ein, auch nach dem Herrn mit allen Sinnen zu suchen und nach seinen Spuren Ausschau zu halten. Nicht nur beim Einkehrtag.
Augustinus-Fest in Regler. Erstmals konnten wir das Fest des Ordensvaters und Kirchenlehrers sowie Kirchenpatrons der Reglerkirche (!) mit unseren evangelischen Schwestern und Brüdern gemeinsam feiern. Die Evangelische Reglergemeinde hatte auf ihren gewohnten Gottesdienst um 9.30 Uhr verzichtet. Viele feierten mit uns statt dessen die Messe um 13 Uhr in der vollbesetzten Reglerkirche.
Die musikalische Gestaltung übernahm das „Ökumenische Holzgebläse“ unter der Leitung von Ulrike Reimann, unterstützt von Ekkehart Fellner an der Orgel. Die Festpredigt hielt Pfarrer und Dechant Marcellus Klaus von der katholischen Innenstadtpfarrei St. Laurentius und brachte damit seine Verbundenheit mit uns Augustinern zum Ausdruck.
Anschließend gab es im Kirchgarten und Kreuzgang Gelegenheit, bei Kaffee und Kuchen oder Mürschter Klosterbier miteinander zu reden.
Um 16 Uhr gab Siegfried Fietz zusammen mit seinem Sohn Oliver ein grandioses Konzert, das vor allem von Liedern mit Augustinus-Worten geprägt war. Der Berliner Lyriker Marco Kunz hatte die Liedtexte verfasst und las sie nun auch selber während des Konzerts sowie im Anschluss daran im Rahmen einer kurzen Lesung. Außerdem war die Malerin Elke Albrecht anwesend, die zusammen mit Siegfried Fietz einen Bilderzyklus zu den Augustinus-Texten und -Liedern geschaffen hatte. Was wir hier erleben konnten, war Verkündigung pur! Das Glaubenszeugnis der Künstler, die Texte Augustins, die bis heute den Lebensnerv moderner Menschen berühren, die nach dem Wahren suchen – letztlich nach Gott –, eine Gemeinde, die einschwingt in die Kehrverse: eine ganz runde Sache eben!
Der Festtag endete mit der gesungenen Vesper im Hohen Chor der Reglerkirche.
Früher oder später stößt man in Erfurt unweigerlich auf ihn: den Dominikaner „Meister Eckhart“.
Er wurde vermutlich 1260 in der Ortschaft Hochheim (oder Tambach) im Thüringer Wald geboren, wurde Dominikaner, studierte in Paris und war lange Jahre Lehrer geistlichen Lebens für viele Menschen. Als Prior des Erfurter Predigerklosters wurde er schließlich aufgefordert, sich in Avignon für einige Sätze aus seinen Schriften zu rechtfertigen. Irgendwann in der ersten Jahreshälfte 1328 muss er in der Nähe der Papstresidenz wohl gestorben sein.
Eine Aura umgibt diesen Mann. Man sieht in ihm DEN Mystiker des hohen Mittelalters. Das macht ihn interessant. Aber ich muss zugeben: Was ich bisher über ihn gelesen habe, überfordert mich. In Erfurt pflegt die renommierte Meister-Eckhart-Gesellschaft sein Andenken. Aber ich fühle mich der Tiefe seiner Gedanken nicht gewachsen...
„Meister Eckhart für Dummies“. So etwas bräuchte ich vielleicht!
Zumindest: „Eine Einführung“. Der Einführungsvortrag am Freitag (Renate Morawietz, die einen guten Überblick über Eckarts Leben gibt), zwei „Workshops“ am Samstag (Dorothea Höck und die Ritaschwestern aus Würzburg, Sr. Carmen und Sr. Ursula) schlagen für mich und zahlreiche andere Teilnehmer die Schneise durch die Gedankenwelt des Mystikers.
Mir wird klar:
Worte Meister Eckharts, gesprochen im weiten Raum der Reglerkirche, wirken auf mich und erreichen mein Herz. Ich spüre mich hineingenommen in das göttliche Geheimnis, angeregt nach „mehr“ zu suchen... Die Fragen zulassen, nicht gleich schon Antworten „wissen“! Es berührt mich, dass meine Suche als Priester nicht unähnlich der Suche der anderen Menschen ist, die sich mit mir auf Eckharts Texte einlassen - gläubige wie „naturbelassene“ Sucher.
Am Nachmittag steht Eckharts Interpretation der Episode Lukas 10, 38-42 im Zentrum: Jesus kehrt bei Marta und Maria ein, zwei Schwestern, die mit ihm befreundet sind. Während Maria dem Herrn zu Füßen einfach zuhört, ist Marta ganz davon in Anspruch genommen, die Gäste zu bedienen.
Traditionell wird das Evangelium oft so gedeutet: Marta würde getadelt, weil sie die (bessere) „Kontemplation“ durch ihre Aktivität vernachlässige. Eckhart aber deutet – wie übrigens auch bereits bei Augustinus anklingt – die Intervention Martas beim Herrn anders: als Sorge, Maria könnte sich einrichten im (bloßen) Zuhören und darüber vergessen, dass auch die tätige Liebe zum Leben mit Gott gehöre. Marta ist da schon weiter: Ihr Herz ist fest beim Herrn, selbst wenn sie das „Süpplein“ für die Armen kocht.
Der Samstag schließt mit einem großen Highlight in der Predigerkirche, also der Klosterkirche Meister Eckharts: „Durch die Wüste zum Einen. Christliche trifft islamische Mystik“. Neben Eckhart kommt nun auch sein Zeitgenosse und Begründer des Sufismus Rumi aus Afghanistan bzw. der heutigen Türkei zu Wort.
Es verblüfft, wie die Gedanken dieser beiden Männer sich ähneln, die sich doch nie getroffen haben. Wer Gott sucht, der scheint ähnliche Wege geführt zu werden. Dabei kann auch Musik unterstützen, sei es ein Bach auf der Orgel oder die Klänge von syrischer Oud, türkischer Ney und Rebab. Und Pirusans Rezitation von Worten Rumis rühren mich, der ich eigentlich kein Wort verstehe, zu Tränen...