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March

2022

Mein Vater war ein heimatloser Aramäer (1. Fastensonntag)

Bruder Jeremias OSA

Einleitung
+ Jesus Christus, der wie wir in Versuchung geführt wurde, doch am Weg der Liebe festhielt, sei mit euch!

Es ist zum schreien: Krieg in Europa, Menschen sterben und Hunderttausende sind auf der Flucht; immer noch ist die Pandemie nicht beendet, und seltsamerweise wirkt sich eine Infizierung ganz unterschiedlich aus, von „milder Verlauf“ bis „Long-Covid“ oder gar der Tod scheint alles möglich, und niemand kann den Verlauf wirklich vorhersagen.

Und dann immer noch das Übliche: die eigene Arbeit wird wenig anerkannt; andere machen es sich anschei­nend viel leichter – und fahren trotzdem gut damit ...

Immer bleibt die Versuchung groß, nach einem „starken Mann“ zu rufen, der aufräumt; in der Demokratie diejenigen zu wählen, die am meisten versprechen und am wenigsten fordern; denen nachzu­rennen, die am besten blenden können; Diktatoren versuchen sich an der Macht zu halten, indem sie groß tun...

Jesus, du hättest es in der Hand gehabt. Du hattest doch die Macht aufzuräumen. Damit hättest du die Men­schen gewonnen! Warum hast du deine Wider­sacher nicht in die Knie gezwungen? Warum hast du den Weg der Ohnmacht gewählt? Wie konntest du nur der Macht der Liebe den Vorzug geben?

Du bittest uns, diesen Weg mit dir zu teilen. Gerade jetzt in der österlichen Bußzeit hören wir deinen Ruf. Werden wir es schaffen, diesen Weg zu wählen? Deinen Weg der Ohnmacht, der in den Tod führte? Werden wir deiner Auferstehung trauen? Deiner Zusage, dass die Liebe stärker ist als der Tod? Wirst du uns deinen Weg führen? –

Schenke uns dein Erbarmen und sende uns deines Geistes Kraft!

Predigt

Die Agende für ein Erntedankfest in Deuteronomium 26 hat heute wieder eine ungewöhnliche Aktualität. Exegetisch dachte man lange Zeit, dieser Abschnitt, den wir gerade als erste Lesung gehört haben, sei eines der ältesten Stücke des fünften Moses­buches. Inzwischen geht man aber davon aus, dass der Text wesentlich jünger ist.

Als das Volk Israel schon geraume Zeit im „Gelobten Land“ satt und in Sicherheit lebte, da wird es erinnert: „Mein Vater war ein heimatloser Aramäer" (Dtn 26,5). So soll jeder sprechen, der dem HERRN im Tempel Dank sagen will. „Mein Vater war ein heimatloser Aramäer“, so als hätte er am eigenen Leib erlebt, wie das ist, fremd zu sein und schlecht gelitten, erniedrigt und geknechtet, verzweifelt und nur noch mit ein bisschen Gott­vertrauen bekleidet. Als Israel satt und behäbig geworden war, da schreiben seine Propheten ihm diesen Text im altertümli­chen Gewand ins Stammbuch: Erinnere dich, woher du kommst!

Vielleicht müsste auch uns so ein Text ins Stammbuch geschrie­ben werden. – Nein, er steht ja schon in unserem Stammbuch: im Testament des Ersten Bundes. Der Krieg weckt heute Ängste bei Kindern und Erwachsenen. Bei den Alten lassen die Bilder aus der Ukraine die eigenen Erinnerungen wieder wach werden, zum Teil mit einer Wucht, wie sie's nicht mehr für möglich gehalten hatten. Man muss Psychohygiene betreiben und am besten nur 1-2 mal am Tag sich den Nachrichten aussetzen.  

Wir dürfen froh sein, dass so viele sich ihrer Familiengeschichte erinnern, wenn heute Fremde zu uns kommen und sich die Frage nun noch einmal drängender stellt, dass wir Geflüchteten eine sichere Bleibe anbieten. Welch große Hilfsbereitschaft geht nun mit Blick auf die Ukraine quer durch unsere Gesellschaft! Gott sei Dank sind diesmal die böswilligen Schreier stumm, die nur die eigenen Probleme gelten lassen wollen. Möge es so bleiben!

Wenn die Not scheinbar immer größer wird, gilt es umso mehr sich an dem zu orientieren, was das Prädikat „menschlich“ ver­dient. Denn auch „mein Vater war ein heimatloser Aramäer“...

Es sind für mich schon Zeichen der Hoffnung, wenn die UNO mit so überwältigender Mehrheit den Aggressor beim Namen nennt. So leicht scheint es also nicht mehr zu sein, mit wohlgesetzten Worten die Welt zu täuschen.

Die Versuchung, die Probleme mit Hauruck und martialischer Macht zu lösen, öffentlichkeitswirksam und scheinbar so unge­mein simpel – das war und ist DIE Versuchung zu allen Zeiten. Auch Jesus stellt sich dem Versucher. Er hat ihm nichts anderes entgegen zu setzen als Demut (= seinen Mut zum Dienen) – Gott und den Menschen zu dienen. Er hat dem Versucher nichts an­deres entgegen zu setzen als den Verzicht auf Macht, Einfluss und Ansehen. Er hat ihm nichts anderes entgegen zu setzen als die Macht der Liebe. SIE hat uns wirklich gerettet.

Vielleicht kann man mit der Religion keine Politik machen. Das hat nicht nur Helmut Schmid so gesehen. Aber wenn Politik sich nicht rückbindet (religio!) an den, der uns geschaffen und erlöst hat, dann verfällt sie dem Wahn, alles mit den Mitteln der Macht in den Griff zu bekommen. – Welch gefährliche Versuchung!

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March

2022

Aschermittwoch 2022 mit Sabine Lindner

Bruder Jeremias OSA

Quarantesima“, so heißt Fastenzeit auf Italienisch. Darin steckt das Wort Quarantäne, das in  unseren Tagen so oft in Gebrauch gekommen ist. Die Seeleute Venedigs mussten in Quarantäne, damit ja keine Seuche in die Lagune eingeschleppt würde und die Sicherheit der Republik gefährdete.

Die freiwillige Quarantesima, das Innehalten und Überprüfen des eigenen Denkens und Handelns, konfrontiert uns mit der Frage: Wo­für willst du leben? Wie solltest du eigentlich leben in Verant­wortung vor Gott und deiner Umwelt? Wie müssen wir als Ge­mein­schaft der Kirche umkehren und uns neu an Christus ausrichten?

Dabei folgen wir einer göttlichen Einladung, wie sie Paulus an die Gemeinde in Korinth in Erinnerung bringt: „Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20) Und es gilt auch für uns heute die Zusage: „Siehe, jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; siehe, jetzt ist er da, der Tag der Rettung“ (2 Kor 6,2b).

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March

2022

Starke Frauen, fromme Männer

Sabine Lindner

In der ersten Hl. Messe am Donnerstag (10.03.) beschäftigt sich Sabine Lindner mit der Säule Adam & Eva. Auszüge findest du hier: 

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February

2022

Im Sieb bleibt - der Abfall?

Bruder Jeremias OSA

Einleitung

Der Herr wurde mein Halt.
Er führte mich hinaus ins Weite,
erbefreite mich, denn er hat an mir Gefallen.

Jesus Christus, Gottes JA zu uns Menschen, sei mit euch!

Tod, wo ist dein Sieg?
Tod, wo ist dein Stachel?
Der Stachel des Todes aber ist die Sünde,
die Kraft der Sünde ist das Gesetz.
Gott aber sei Dank,
der uns den Sieg geschenkt hat
durch unseren Herrn Jesus Christus.(1 Kor 15,55-57)

Das sagt Paulus im Ersten Korintherbrief; und das feiern wir jetzt: Christus hat den Stachel des Todes gebrochen. ER hat uns mit Gott versöhnt und die Sünde, das NEIN zum Willen Gottes, unser Misstrauen in Gottes Willen... überwunden. Christus ist das JA Gottes zu uns. IHN, unser Leben und unser Ziel, feiern wir in dieser Stunde. Er hat uns um sich versammelt.

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February

2022

"Liebet eure Feinde!"

Dorothea Höck

Predigt über Lukas 6, 27-38 von Dorothea Höck

Von der Feindesliebe

27 Aber ich sage euch, die ihr zuhört: Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; 28 segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen. 29 Und wer dich auf die eine Backe schlägt, dem biete die andere auch dar; und wer dir den Mantel nimmt, dem verweigere auch den Rock nicht. 30 Wer dich bittet, dem gib; und wer dir das Deine nimmt, von dem fordere es nicht zurück. 31 Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch! 32 Und wenn ihr liebt, die euch lieben, welchen Dank habt ihr davon? Denn auch die Sünder lieben, die ihnen Liebe erweisen. 33 Und wenn ihr euren Wohltätern wohltut, welchen Dank habt ihr davon? Das tun die Sünder auch. 34 Und wenn ihr denen leiht, von denen ihr etwas zu bekommen hofft, welchen Dank habt ihr davon? Auch Sünder leihen Sündern, damit sie das Gleiche zurückbekommen. 35 Vielmehr liebt eure Feinde und tut Gutes und leiht, ohne etwas dafür zu erhoffen. So wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Höchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.

Vom Umgang mit dem Nächsten

36 Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. 37 Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben. 38 Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch zumessen.


Liebe Gemeinde,


Wenn uns jemand fragen würde: Worin unterscheidet sich denn der christliche Glaube von anderen Religionen? Dann würden wir vielleicht antworten: durch die Aufforderung zur Feindesliebe.


Am vergangenen Dienstag beim Bibelgespräch stand bald die Frage im Raum: Ist das denn überhaupt umsetzbar? Kann ich diesem Anspruch gerecht werden, den Jesus an die Seinen stellt?


Doch was würde es denn bedeuten, wenn wir diese Fragen verneinen, weil der Anspruch uns überfordert? Wenn wir meinten, so habe ich es einmal von einer Kanzel sagen hören: So wörtlich und ernst ist es nicht gemeint, jedenfalls nicht mehr heute?


Kommen wir zur Feldpredigt des Lukas: Jesus hat gerade begonnen, Jünger und Jüngerinnen um sich zu sammeln. Es spricht sich herum, dass er Kranke heilt und Menschen von ihren Dämonen befreit. Aus einem Umkreis von 100 km kommen die Menschen, um an der Kraft teilzuhaben, die von ihm ausgeht. Eine große Volksmenge ist zusammengekommen auf einer weiten Ebene. Jesus be­ginnt, ihnen das Zentrum seiner Botschaft zu verkündigen, die neue Lebensord­nung für die, die ihm nachfolgen wollen. Es ist das Grundgesetz des Gottesreiches. Wo Menschen durch ihren Glauben und ihrem Handeln diese neue Ordnung zur Geltung bringen, kann sich das Reich Gottes ausbreiten.


Jesus spricht dringlich: „Euch, die Ihr zuhört, sage ich!“ Nur wer ihm mit allen Sinnen und Kräften zuhört, ist für seine Botschaft empfänglich. - Wann hören wir denn wirklich zu und lassen uns vom Gehörten in Bewegung bringen? Meistens sind wir ja nur mit halbem Ohr dabei, während unsere Gedanken schon wieder woanders sind.


„Euch die ihr zuhört, sage ich: Liebt Eure Feinde!“


In seinen Reden ist Jesus immer sehr konkret. Liebt Eure Feinde – von Agape ist die Rede, nicht von Eros; Agape ist die Liebe, die sich im Handeln, im Tun des Guten erweist, nicht in einem schönen Gefühl. Über unsere Gefühle haben wir keine Macht. Wir können weder uns noch anderen befehlen: „Liebe!“ oder: „Hasse!" Auf unsere Gefühle ist kein Verlass.


Agape meint die Liebe, die nach 1 Kor 13 größer und verlässlicher ist als Glaube und Hoffnung, sie umfasst Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Jesus umschreibt mit einem Katalog, was Feindesliebe ist:

  • tut wohl denen, die euch hassen;
  • segnet, die euch verfluchen;
  • bittet für die, die euch beleidigen.
  • Und wer dich auf die eine Backe schlägt, dem biete die andere auch dar;
  • und wer dir den Mantel nimmt, dem verweigere auch den Rock nicht.

Vier Formen von Gewaltanwendung werden aufgezählt: verfluchen, beleidigen, schlagen, rauben. Solcher Gewalt sollen wir nicht mit Gegengewalt antworten. Aber wir sollen sie auch nicht wehrlos hinnehmen. Paulus bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: (Röm 12,21): „Lass Dich nicht vom Bösen besiegen, sondern überwinde das Böse mit dem Guten!“

Jesus nennt Beispiele, wie das gehen kann.

Mir sind diese Sätze aus der Feldpredigt lange rätselhaft geblieben, bis ich vor einigen Jahren in einem jüdischen Kommentar zum Gebot der Feindesliebe fand, was es beispielsweise mit der Aufforderung auf sich hat: „Wer Dir den Mantel nimmt, dem verweigere auch das Hemd nicht.“ Wenn im damaligen Israel jemand verschuldet war, durften ihm die Gläubiger alles nehmen, nur nicht seinen Mantel. Denn den benötigte jedermann, um sich in der Nacht vor der Kälte zu schützen. Das war eine frühe Form des Schutzes des Existenzminimums. Wenn nun ein Gläubiger diese Regel bricht, indem er seinem Schuldner auch den Mantel nimmt, und dieser ihm daraufhin auch noch sein Hemd überreicht: dann setzt er den Gläubiger ganz offensichtlich ins Unrecht. Heute nennen wir das vielleicht „paradoxe Intervention“. Was meinen Sie, geschieht mit jenem, der auf diese Weise überrumpelt wird?

Oder nehmen wir den nächsten Satz: „Wenn Dich jemand auf die eine Wange schlägt, dann biete die andere auch dar.“ Wir kennen wohl alle das Gefühl, eine Ohrfeige verpasst zu bekommen. Es schmerzt nicht nur, es demütigt. Auch damals war die Ohrfeige eine Art von Entehrung, gegen die man sich unbedingt zur Wehr setzen muss. Was macht es mit dem Schläger, wenn der Geschlagene, statt sich zu wehren oder davonzuschleichen, die andere Seite hinhält? Im besten Falle verpufft die Wirkung des ersten Schlags. Wer nach einer Ohrfeige die andere Seite hinhält, nimmt die Demütigung gerade nicht an. Er stellt das Handeln des anderen grundsätzlich infrage: „Was tust Du da eigentlich?“

Der jüdische Theologe Pinchas Lapide beschreibt Jesu Gebot der Feindesliebe als einen Weg der „Ent-feindungsliebe1: Vielleicht gelingt es durch den Verzicht auf Gegengewalt, einen Gewalttäter dahin zu bringen, sein eigenes Tun zu überdenken? Es geht nicht darum, zu einem Menschen, der mir nicht wohl will, ein liebevolles Gefühl zu entwickeln. Indem ich auf Vergeltung verzichte, schaffe ich eine neue Situation.

Paradoxe Intervention ist aber nicht alles, denn sie berechnet ja ihre Wirkung. Jesus verlangt mehr: Was ich tue, muss von Herzen und aus Überzeugung kommen, ohne Erwartung einer bestimmten Reaktion.

Auch soll ich mein eigenes Handeln nicht vom Wohltun des anderen abhängig machen. Uns ist ja fast in Fleisch und Blut übergegangen, dass wir erst einmal prüfen, ob der andere unsere Wohltaten verdient. Doch Jesus widerspricht dem entschieden:


32 Und wenn ihr liebt, die euch lieben, welchen Dank habt ihr davon? Denn auch die Sünder lieben, die ihnen Liebe erweisen. 33 Und wenn ihr euren Wohltätern wohltut, welchen Dank habt ihr davon? Das tun die Sünder auch.


Lieber sichern wir uns ab als einseitig Zugeständnisse zu machen. Ein jüdischer Witz beschreibt es trefflich:


Treffen sich zwei in Feindschaft verbundene Juden am Versöhnungstag in der Synagoge. Sagt der Eine: „Ich wünsche Dir, was Du mir wünschst!“ Antwortet der Andere: „Fängst Du schon wieder an?“


Das Gebot der Feindesliebe bewährt sich in einer Haltung, die ich mir mühsam aneignen muss: Ich wende mich dem anderen zu, ich bin bereit zur Vergebung ohne Erwartungen und Absicherungen.


Damit bringt Jesus einen neuen Aspekt menschlicher Freiheit in die Welt:

Wo das Gebot der Feindesliebe zum Grundgesetz des Zusammenlebens von Menschen wird, muss ich nicht warten, bis der andere anfängt. Ich kann selbst anfangen! Das verlangt unendlich viel Mut und Vertrauen. Ich muss die Angst überwinden, mich als Narr oder Närrin lächerlich zu machen.


Dieses Vermögen, einen Anfang zu setzen, ist Freiheit, die uns von Gott geschenkt ist. Gott hat schon vor allem mit uns einen Anfang gemacht: Durch seine Barmherzigkeit und Gnade. Die Kraft und die Fähigkeit zum Anfangen können kommen nicht aus uns selbst.


In diesen Tagen wird uns oft schwindelig, wenn wir uns vor Augen führen, welche Gefahren sich gerade zusammen ballen. Seit sechzig Jahren stand die Welt nicht mehr vor einer so großen Kriegsgefahr. Und als wäre das nicht genug, spüren wir auf Schritt und Tritt die Zerwürfnisse, die der Umgang mit der Corona-Pandemie in unsere Beziehungen, auch zu nächsten Menschen, in unseren Alltag und in unsere Gesellschaft bringt.


Sind wir machtlos dem allen ausgeliefert?

Jesus zeigt uns einen Weg zur Überwindung der Ohnmacht, die uns oft befällt: in unserer Macht steht, wie wir anderen Menschen begegnen. Geben wir jemandem, der uns Gewalt antut, uns hasst, betrügt, bestiehlt, die Macht über uns, aus uns Hassende, Lügende, Gewalttätige zu machen, indem wir Gleiches mit Gleichem vergelten? Oder bekennen wir uns zu einer anderen Ordnung und leben nach der Verfassung des Gottesreiches, und damit in der Nachfolge Christi?


Feindesliebe ist kein frommer Wunsch. Schauen Sie nach Beispielen, wo Menschen die Spirale von Gewalt und Hass durchbrechen. Wir können sie täglich entdecken. Wir finden sie nicht nur unter Christen, auch unter Juden und Muslimen. Es ist ein Vorurteil zu meinen, die Christen hätten die Feindesliebe für sich gepachtet. Wussten Sie zum Beispiel, dass die Familie des 2018 auf grausame Weise in der saudischen Botschaft ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi zwei Jahre später den Mördern vergeben hat? Das ist das größte, was Menschen tun können – und es schafft Frieden zwischen Feinden, vor allem aber in den Herzen derer, die vergeben können.


Wir sind aufgefordert, die Muster der Gewalt, der Erniedrigung und der beiderseitigen Verhärtung zu durchbrechen. Damit zeigen wir der Welt, was möglich ist, um Frieden zu schaffen.


Jesus weist uns einen Weg, dem Bösen durch Gutes zu widerstehen und damit zu einem würdigen Umgang miteinander, auch mit Menschen, die sich von Bosheit, Hass und Gewalt leiten lassen. Wenn wir dem Bösen keine Macht über uns zugestehen, handeln wir im Geist der göttlichen Liebe. Bitten wir Gott, dass er uns die Gottesreichbürgerinnenwürde verleiht.


Amen.


1 4) P. Lapide. Die Bergpredigt – Friedensutopie oder Realpolitik? Eine jüdische Auslegung. In: Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste (Hg.): Christen im Streit um den Frieden. Beiträge zu einer neuen Friedensethik. Positionen und Dokumente. Freiburg 1982.