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March

2022

Oben auf dem Gipfel

Christoph Kuchinke

Predigt von Christoph Kuchinke am 2. Fastensonntag in der Brunnenkirche

Da sind sie, auf  dem Gipfel – nein noch nicht die aus dem Evangelium, die Mächtigen dieser Welt: G7, Europa, Gipfeltreffen der verschiedensten Staatsoberhäupter der Politik. Nur der Papst und der Patriarch von Moskau noch nicht. Das wird seine Gründe haben – Diplomatie eben.

Wer von Ihnen den Schnee im Thüringer Wald oder anderswo in den Bergen genutzt und ausgekostet hat, wird sicher Erinnerungen haben, die  dem eben gehörten ähnlich sind: Eine weiße Decke überall, ein Moment der Klarheit, der Schönheit, vielleicht auch der Stille. Und dann reißen die Wolken auf, die Sonne, das Licht, dieses besondere Licht...

Ja, es musste sein, Urlaub, raus aus dem Alltag, kleine Höhepunkte setzen, Vitamin D tanken, gerade jetzt in diesen harten Zeiten der Pandemie, der Eingeschränktheit.

Jesus ist mit seinen Freunden unterwegs. Doch alles ist irgendwie plötzlich schwer, der Lack ist ab, die Leichtigkeit ist weg, verloren. Es war aufregend mit Jesus, die Tage waren wirklich erfüllt. Heilungen und Wunder und immer wieder auch starke Worte und wunderbare Gleichnisse.

Und dann sagt Jesus, dass es so nicht mehr lange weitergehen würde. Es würde etwas auf ihn zukommen, etwas Schweres, Leiden, vielleicht der Tod. Das macht die Jünger unruhig. Aber sie gehen weiter.

Zwei von ihnen nimmt Jesus mit auf den Berg, weg von den anderen. Aus der Vergangenheit kommen Mose und Elija in diesen Moment. Sie sind leuchtende Vorbilder von Jesus. Sie stehen für die Weisung Gottes und für die Einsicht, die man gewinnen kann. Von Moses heißt es, er wurde von Gott selbst begraben. Also hat niemand sein Grab jemals finden können. Und Elija ist direkt in den Himmel gefahren, er ist entrückt worden. Beide sind spurlos zu Gott verschwunden, alle beide.

Und jetzt reden sie ganz vertraut mit Jesus, als würden sie sich schon aus unvordenklichen Zeiten kennen. Dass es für ihn auch so kommen wird. Ein leuchtender Moment, kein Grau, keine Sorge, keine Angst.

Genau so stellt man sich die Geschichte doch vor, oder?

„Lass uns hier bleiben, wohnen bleiben!“ Das ist es, so soll es bleiben, einen leuchtenden Moment raus aus der grauen Gegenwart, Klarheit, Übersicht und vor allem Perspektive haben. Also, ich verstehe diesen Petrus sehr gut, ich will auch auf so einen Berg und ich will bleiben... Das ist doch eine fast traumhafte Erfahrung. Das ist doch nur menschlich, oder?  – Das findet man ja auch immer wieder bei diesem Petrus.

Aber so ein leuchtender Moment ist eben ein Moment, ein Lichtblick, kurz wie ein Blitz, ein Blitzlicht eben. Darin kann man nicht bleiben und schon gar nicht wohnen. Und unten am Berg sind noch die anderen 9 Jünger, denkt an die keiner? Und da wartet auch schon der Mann mit seinem epileptischen Sohn, damit Jesus ihn heilt.

Es ist unbeschreiblich, den geöffneten Himmel zu sehen, die Heiligen miteinander reden zu hören, die Stimme Gottes, wie damals bei der Taufe am Jordan. Dieser leichte Moment, oben, weit weg vom Alltag. Und doch mittendrin. Und doch wieder auch das Unten, die Menge, die Leute. Es ist immer wieder der Berg, da oben wird gebetet, gerungen, geglaubt.

Der Berg, da wird etwas klar, geklärt, erklärt. Vielleicht der Tabor, von dem man auf Nazareth und den See Genezareth sehen kann? Der Berg, auf den hinaufgetragen wird all das Elend und Leid, all die Schuld. Der Berg des Kreuzes, Golgotha. Es gehört alles zusammen, oben und unten. Verklärung heisst es, oder griechisch: metamorphein, Verwandlung. In die Herrlichkeit. Ins Licht.

Das wär's, wir möchten gern festhalten, stehen bleiben, das Bekommene als Besitz. Und doch geht das nicht im Leben: Halten-Wollen. Immer wieder ist da auch ein Loslassen-Müssen. Nichts bleibt, es ist immer Vorübergang: Pascha.

Wenn Abraham nicht bereit gewesen wäre, seine Heimat zu verlassen, er wäre nicht zum Segen für die Völker geworden.

Wenn Mose nicht dem Ruf Gottes am Dornbusch gefolgt wäre, sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten herauszuführen, sie hätten keine Freiheit erlebt.

Wäre Elija unter dem Ginsterstrauch sitzen geblieben und gestorben, er hätte die Gottesschau am Horeb nicht erlebt.

Wäre Jesus nicht von diesem Berg Tabor wieder nach unten gegangen und auf den anderen Berg Golgotha hinaufgegangen, so hätte eine Erlösung durch Leid und Tod und eine Auferweckung nicht geschehen können.

Es scheint immer zunächst so, als scheiterten sie, alle drei.

Auch die Jünger können da einbezogen werden, sie brauchen ihre Zeit, um zu begreifen, zu verstehen, zu erinnern, was sie erlebt haben, was es mit allem auf sich hat. Was Lukas seiner Gemeinde aufgeschrieben hat, wie er diese Begebenheit schildert, ist ganz eigen und soll zeigen: bildlich lässt sich das nicht darstellen, die Verklärung, diese Wandlung.

Jesus nimmt Abschied vom Judentum. Dieser Christus ist mehr, als die Gestalten des ersten Bundes. Auf der Ebene des Prophetentums gibt es kein Bleiben.

Jesus verkündet nicht nur das Wort Gottes, er i s t es selbst, das Wort. Und dadurch eben nicht nur ein frommer Prophet, der am Kreuz scheitert.

Die Wolke, die seit der Zeit von Mose ein Zeichen für die Gegenwart Gottes ist, einen Menschen überschattet, dann heißt das: Er ist zum Glauben gekommen. Erst im Glauben erkennen die Jüngerinnen und Jünger, dass dieser Jesus nicht nur kluge Worte macht, sondern es selbst ist; so teilt sich Gott mit in seinem Sohn, der menschgewordenen Liebe zu jedem einzelnen Menschen. Keiner ist ausgeschlossen, auch nicht die am Rand. Und auch nicht die mit Schuld, wenn sie denn umkehren. Sehen kann man das nicht, schon gar nicht hinter einer Wolke.

Im Glauben erkennt man die Gegenwart Gottes, die wie eine Wolke alles umhüllt, einschließt.

Dieses Evangelium ist eine Vorschau auf Ostern. Schon heute wird Jesus verwandelt, schon heute verbindet er (durch die Gestalten von Mose und Elija) Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Schon heute  begehen wir die Auferstehung Jesu. D.h. die Ewigkeit oder Herrlichkeit ist schon angebrochen. Das Reich Gottes, so unscheinbar es uns auch vorkommen mag, ist bereits angebrochen. Es befähigt uns, heute das zun tun, was Jesus auch getan hat.

Die Kraft der Auferstehung, wir haben teil daran, diese Kraft ist Kraft für das Leben heute.

Mit Kurt Marti gesagt:


„berg der verklärung“....


berg der Verklärung
schnee
seiner herrlichkeit

schnee
seines lichtes

blendend im glanze
des inneren lichtes

spurlos nahen
moses und elia

und glühen
verglühen
ins nichts

schnee
seiner herrlichkeit

schnee
seines lichts-

doch er mahnt
zum abstieg
ins tal der kämpfe
und des verzichts.


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March

2022

HERR, nimm auch uns zum Tabor mit

Bruder Jeremias OSA

Meditativer Einblick in die Moonlightmass mit Jazz am Vorabend des 2. Fastensonntags in der Brunnenkirche

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March

2022

Mein Vater war ein heimatloser Aramäer (1. Fastensonntag)

Bruder Jeremias OSA

Einleitung
+ Jesus Christus, der wie wir in Versuchung geführt wurde, doch am Weg der Liebe festhielt, sei mit euch!

Es ist zum schreien: Krieg in Europa, Menschen sterben und Hunderttausende sind auf der Flucht; immer noch ist die Pandemie nicht beendet, und seltsamerweise wirkt sich eine Infizierung ganz unterschiedlich aus, von „milder Verlauf“ bis „Long-Covid“ oder gar der Tod scheint alles möglich, und niemand kann den Verlauf wirklich vorhersagen.

Und dann immer noch das Übliche: die eigene Arbeit wird wenig anerkannt; andere machen es sich anschei­nend viel leichter – und fahren trotzdem gut damit ...

Immer bleibt die Versuchung groß, nach einem „starken Mann“ zu rufen, der aufräumt; in der Demokratie diejenigen zu wählen, die am meisten versprechen und am wenigsten fordern; denen nachzu­rennen, die am besten blenden können; Diktatoren versuchen sich an der Macht zu halten, indem sie groß tun...

Jesus, du hättest es in der Hand gehabt. Du hattest doch die Macht aufzuräumen. Damit hättest du die Men­schen gewonnen! Warum hast du deine Wider­sacher nicht in die Knie gezwungen? Warum hast du den Weg der Ohnmacht gewählt? Wie konntest du nur der Macht der Liebe den Vorzug geben?

Du bittest uns, diesen Weg mit dir zu teilen. Gerade jetzt in der österlichen Bußzeit hören wir deinen Ruf. Werden wir es schaffen, diesen Weg zu wählen? Deinen Weg der Ohnmacht, der in den Tod führte? Werden wir deiner Auferstehung trauen? Deiner Zusage, dass die Liebe stärker ist als der Tod? Wirst du uns deinen Weg führen? –

Schenke uns dein Erbarmen und sende uns deines Geistes Kraft!

Predigt

Die Agende für ein Erntedankfest in Deuteronomium 26 hat heute wieder eine ungewöhnliche Aktualität. Exegetisch dachte man lange Zeit, dieser Abschnitt, den wir gerade als erste Lesung gehört haben, sei eines der ältesten Stücke des fünften Moses­buches. Inzwischen geht man aber davon aus, dass der Text wesentlich jünger ist.

Als das Volk Israel schon geraume Zeit im „Gelobten Land“ satt und in Sicherheit lebte, da wird es erinnert: „Mein Vater war ein heimatloser Aramäer" (Dtn 26,5). So soll jeder sprechen, der dem HERRN im Tempel Dank sagen will. „Mein Vater war ein heimatloser Aramäer“, so als hätte er am eigenen Leib erlebt, wie das ist, fremd zu sein und schlecht gelitten, erniedrigt und geknechtet, verzweifelt und nur noch mit ein bisschen Gott­vertrauen bekleidet. Als Israel satt und behäbig geworden war, da schreiben seine Propheten ihm diesen Text im altertümli­chen Gewand ins Stammbuch: Erinnere dich, woher du kommst!

Vielleicht müsste auch uns so ein Text ins Stammbuch geschrie­ben werden. – Nein, er steht ja schon in unserem Stammbuch: im Testament des Ersten Bundes. Der Krieg weckt heute Ängste bei Kindern und Erwachsenen. Bei den Alten lassen die Bilder aus der Ukraine die eigenen Erinnerungen wieder wach werden, zum Teil mit einer Wucht, wie sie's nicht mehr für möglich gehalten hatten. Man muss Psychohygiene betreiben und am besten nur 1-2 mal am Tag sich den Nachrichten aussetzen.  

Wir dürfen froh sein, dass so viele sich ihrer Familiengeschichte erinnern, wenn heute Fremde zu uns kommen und sich die Frage nun noch einmal drängender stellt, dass wir Geflüchteten eine sichere Bleibe anbieten. Welch große Hilfsbereitschaft geht nun mit Blick auf die Ukraine quer durch unsere Gesellschaft! Gott sei Dank sind diesmal die böswilligen Schreier stumm, die nur die eigenen Probleme gelten lassen wollen. Möge es so bleiben!

Wenn die Not scheinbar immer größer wird, gilt es umso mehr sich an dem zu orientieren, was das Prädikat „menschlich“ ver­dient. Denn auch „mein Vater war ein heimatloser Aramäer“...

Es sind für mich schon Zeichen der Hoffnung, wenn die UNO mit so überwältigender Mehrheit den Aggressor beim Namen nennt. So leicht scheint es also nicht mehr zu sein, mit wohlgesetzten Worten die Welt zu täuschen.

Die Versuchung, die Probleme mit Hauruck und martialischer Macht zu lösen, öffentlichkeitswirksam und scheinbar so unge­mein simpel – das war und ist DIE Versuchung zu allen Zeiten. Auch Jesus stellt sich dem Versucher. Er hat ihm nichts anderes entgegen zu setzen als Demut (= seinen Mut zum Dienen) – Gott und den Menschen zu dienen. Er hat dem Versucher nichts an­deres entgegen zu setzen als den Verzicht auf Macht, Einfluss und Ansehen. Er hat ihm nichts anderes entgegen zu setzen als die Macht der Liebe. SIE hat uns wirklich gerettet.

Vielleicht kann man mit der Religion keine Politik machen. Das hat nicht nur Helmut Schmid so gesehen. Aber wenn Politik sich nicht rückbindet (religio!) an den, der uns geschaffen und erlöst hat, dann verfällt sie dem Wahn, alles mit den Mitteln der Macht in den Griff zu bekommen. – Welch gefährliche Versuchung!

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March

2022

Aschermittwoch 2022 mit Sabine Lindner

Bruder Jeremias OSA

Quarantesima“, so heißt Fastenzeit auf Italienisch. Darin steckt das Wort Quarantäne, das in  unseren Tagen so oft in Gebrauch gekommen ist. Die Seeleute Venedigs mussten in Quarantäne, damit ja keine Seuche in die Lagune eingeschleppt würde und die Sicherheit der Republik gefährdete.

Die freiwillige Quarantesima, das Innehalten und Überprüfen des eigenen Denkens und Handelns, konfrontiert uns mit der Frage: Wo­für willst du leben? Wie solltest du eigentlich leben in Verant­wortung vor Gott und deiner Umwelt? Wie müssen wir als Ge­mein­schaft der Kirche umkehren und uns neu an Christus ausrichten?

Dabei folgen wir einer göttlichen Einladung, wie sie Paulus an die Gemeinde in Korinth in Erinnerung bringt: „Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20) Und es gilt auch für uns heute die Zusage: „Siehe, jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; siehe, jetzt ist er da, der Tag der Rettung“ (2 Kor 6,2b).

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March

2022

Starke Frauen, fromme Männer

Sabine Lindner

In der ersten Hl. Messe am Donnerstag (10.03.) beschäftigt sich Sabine Lindner mit der Säule Adam & Eva. Auszüge findest du hier: