Liebe Gemeinde,
Als ich das Evangelium für heute las, freute ich mich: So aktuell! Gerade ringen wir darum, was es bedeutet, Frieden zu stiften, sich für Gerechtigkeit einzusetzen, Erbarmen mit Menschen in Not zu üben. Auch streiten wir um unsere Haltung zu Menschen, die sich auf radikale Weise für eine lebenswerte Welt engagieren, indem sie uns aus unseren Alltagsroutinen reißen.
Die Bergpredigt hat viel dazu zu sagen.
Doch je näher der heutige Gottesdienst rückte, desto mehr wurde mir deutlich, so einfach, wie die Bergpredigt daherkommt, wird es nicht.
Die Seligpreisungen sind der Kern der Botschaft Jesu. Die Bergpredigt ist eine Art Grundgesetz für das Reich Gottes und für unser Leben in dieser Welt. Wir hören dieses Grundgesetz als Trost und Ermutigung, unmittelbar an uns gerichtet. Es ist Balsam für die Seele. Selig sind die Friedensstifter, die im Geiste Armen, die Traurigen, die Sanften, die sich nach Gerechtigkeit sehnen und um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden. Sie werden getröstet werden und Erbarmen finden, ihr Hunger wird gestillt. Sie werden Kinder Gottes heißen und das Land erben, ihnen gehört das Gottesreich. Wer an der Ungerechtigkeit, am Unfrieden, an der Zerrissenheit der Welt leidet, ist bei Gott gut aufgehoben.
Doch sind diese ermutigenden Zusagen auch eine Art Pflichtenkatalog für jene, die die Botschaft vom Reich Gottes ernst nehmen: die wunderbaren Zusagen gelten jenen, die jetzt schon Frieden stiften, barmherzig sind, sich für Gerechtigkeit einsetzen, die reinen Herzens sind. Sie sind nicht nur Trost, sondern fordern uns.
Bis heute ist sich die Gelehrtenwelt uneins darüber, wie die Seligpreisungen auszulegen sind. Martin Luther beispielsweise meinte, sie dienen nicht der Ermutigung, sondern der Entmutigung: Die Ansprüche Jesu an uns sind so hoch, dass wir kapitulieren und einsehen müssen, dass sie vollständig unerfüllbar sind. Sie verweisen uns darauf, dass uns allein Gottes Gnade retten kann. Aber das ist so absolut gesehen nicht recht. Die Bergpredigt ist nicht dazu da, uns ein schlechtes Gewissen zu machen, sondern uns ein Gewissen zu machen. Gott sieht uns und unser Bemühen.
Auf der anderen Seite haben wir jene, die den Tugendkatalog der Seligpreisungen Eins zu Eins in politisches Handeln umsetzen, die mit der Bergpredigt Politik machen wollen. Doch die Geschichte hat gezeigt, dass beispielsweise konsequente Gewaltlosigkeit wie die von Mahatma Gandhi und seinen Gefährtinnen und Gefährten nur manchmal als Mittel politischen Handelns hilft. Dass Radikalität - zum Beispiel in Sachen Gerechtigkeit – und wenn sie noch so gut gemeint ist, auch in Gewalt umschlagen kann.
Andererseits: Wenn wir die in den Seligpreisungen enthaltenen Forderungen zurechtstutzen, wie sie für uns händelbar sind, werden wir ihnen auch nicht gerecht.
So einfach ist es also nicht.
Angesichts des Krieges gegen die Ukraine und der daraus folgenden militärischen Aufrüstung auf der ganzen Welt, eingedenk der neuen Eskalation von Gewalt im Nahen Osten, im Hinblick auf den Klimawandel und die verzweifelten Versuche einiger Weniger, uns aus unseren falschen Gewohnheiten zu reißen: Was können da so ein paar Sätze aus der Bibel ausrichten?
Mir ist ein Gedicht von Ingeborg Bachmann eingefallen1, das das düstere Szenarium unserer Gegenwart in wenige Verse fasst:
Alle Tage.
Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt. Das Unerhörte
ist alltäglich geworden.
Bachmann schrieb es nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Der Krieg war nicht zu Ende gegangen, er ging als „kalter Krieg“ weiter, ein Zustand, der weder Krieg noch Frieden ist und an den man sich gewöhnt hat. Wer kann in so einer Zeit Friedensstifter werden? Bachmann zeichnet einen neuen Helden, der die neue Art von Krieg nicht unterstützt:
Der Held
bleibt den Kämpfen fern. Der Schwache
ist in die Feuerzonen gerückt.
Die Uniform des Tages ist die Geduld,
die Auszeichnung der armselige Stern
der Hoffnung über dem Herzen.
Unser Held ist ein Deserteur in einem Krieg, der die Schwachen – die Zivilbevölkerung – ins Visier nimmt. Bachmann kleidet ihren neuen Helden mit gänzlich Unmilitärischem: mit Geduld und mit Hoffnung über dem Herzen. Wofür erhält der Held, der ein Antiheld ist, diesen seltsamen Orden?
Er wird verliehen,
wenn nichts mehr geschieht,
wenn das Trommelfeuer verstummt,
wenn der Feind unsichtbar geworden ist
und der Schatten ewiger Rüstung
den Himmel bedeckt.
Unser Held hat keinen sichtbaren Feind mehr. Doch seine Welt ist düster. Eigentlich kein Anlass zur Hoffnung. Dennoch: Es gibt den armseligen Stern über dem Herzen. Trotzdem Hoffnung zu haben – das ist die Auszeichnung. Und wofür?
Er wird verliehen
für die Flucht vor den Fahnen,
für die Tapferkeit vor dem Freund,
für den Verrat unwürdiger Geheimnisse
und die Nichtachtung
jeglichen Befehls.
Die Etikette und Werte, die im Krieg gelten und die heute immer noch als erstrebenswert dargestellt werden, sind hinfällig geworden. Statt der Uniform ist Geduld angesagt, und Orden verdient, wer sich einen Rest Hoffnung bewahrt. Die Todsünden innerhalb der militärischen Ordnung – Fahnenflucht, Geheimnisverrat und Befehlsverweigerung – sind jetzt Tugenden. Tapferkeit hat sich im Einsatz nicht mehr gegen den Feind zu beweisen, sondern vor dem Freund.
Woher die Hoffnung? Bachmann selbst hält die Hoffnung für etwas Unzerstörbares, „Selbst in der Kapitulation ist noch Hoffnung, und diese Hoffnung des Menschen hört nicht auf, wird nie aufhören.“
Der Held aus diesem Gedicht ist nicht von dieser Welt. Oder gerade doch? Er lebt die Tugenden der Bergpredigt: Sanftmut, Gerechtigkeit, er ist ein eigenartiger Friedensstifter. Er legt Zeugnis ab vom Reich Gottes in unserer Welt.
Ich kann mir vorstellen, dass so jemand – egal in welchem Land – nicht beliebt ist, im Gegenteil. Eher wird er verachtet. Vielleicht wird er für seine Friedfertigkeit verfolgt.
Die Seligpreisungen der Bergpredigt sind Balsam für die Seele, doch sie verheißen eine „unbequeme Seligkeit“, wie es einmal jemand (Fulbert Steffensky) formulierte.
Die Verheißungen gelten jenen, die sich nicht durch Heldentaten, sondern durch einen armseligen Stern der Hoffnung im Herzen auszeichnen: die sich die Richtung ihres Lebens von den Verheißungen der Bergpredigt vorgeben lassen; auch wenn sie dafür Verachtung, Leid und Ablehnung erleiden.
Unsere Welt braucht Menschen, die sich auf diese Weise in den Dienst des Gottesreiches nehmen lassen. Ich fand vor einigen Monaten einen Essay in meiner Zeitung mit der Überschrift: Lob des Pazifismus2. Die Autorin lehrte mich, wie unverzichtbar der Pazifismus gerade jetzt ist, wo er völlig unvernünftig erscheint. Denn nur, wenn wir uns eine Welt ohne Krieg und Waffen denken und für sie einsetzen, wird es vielleicht eines Tages eine friedlichere Welt geben.
Was ist der Lohn dafür?
„Selig die Armen! Selig die Hungernden! Selig die Trauernden!“ Selig seid ihr, wenn sie euch fluchen und jagen, und betrügerisch allerlei Böses nachsagen um meinetwillen! Das erscheint doch paradox. Nur wer der Verheißung trauen kann, dass Gott seine Herrschaft aufrichtet, wer den Stern der Hoffnung im Herzen trägt, der wird selig gepriesen.
Als Christinnen und Christen sind wir dazu berufen, die Muster der Gewalt und der Ungerechtigkeit zu durchbrechen. Damit zeigen wir der Welt, was möglich ist, um Frieden zu schaffen.
Jesus weist uns einen Weg zu einem würdigen Umgang miteinander, auch mit Menschen, die sich von Bosheit, Hass und Gewalt leiten lassen. Bitten wir Gott um die Hoffnung auf sein Reich, damit wir seinem Reich dienen können.
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
1 mehr darüber hier: http://www.planetlyrik.de/lyrikkalender/ingeborg-bachmanns-gedicht-alle-tage/
2 Nele Pollatschek: Lob des Pazifismus, in: www.sueddeutsche.de/kultur/krieg-pazifismus-ukraine-friedensbewegung-1.5665178
Kein Jazz, sondern Lobpreislieder erklangen zur Moonlightmass am Ordensfest "Maria, Mutter vom Trost", das die Augustiner besonders ihren Angehörigen, Freunden und Unterstützern widmet. Judith Stotz und Dodier Felix (Fürth) sind bei den Erfurter Augustinern keine Unbekannten. Schon mehrere Jahre lang gestalten sie alljährlich einen Lobpreisgottesdienst.
+ Der Vater des Erbarmens und der Gott allen Trostes sei mit euch!
Im Augustinerorden feiern wir heute Maria als die Mutter des Trostes. Im Lukas-Ev heißt es, der greise Simeon wartete auf den Messias als den „Trost Israel“. Ein ganz biblischer Name also. Maria, das Mädchen aus Nazareth, konnte Ja sagen zum Willen Gottes. So wurde dem „Trost der ganzen Welt (nicht nur Israels)“, Christus, der Weg in die irdische Welt geöffnet. „Geboren aus der Jungfrau Maria“, bekennen wir im Glaubensbekenntnis. Der Name Jesus (d.i. „Gott rettet“) ist seitdem wirklich zum Trost in vieler Menschen Munde.
Jesus Christus, der Sohn Gottes, verlässt uns nicht. Er sandte uns den Tröster, die Heilige Geistkraft, die uns heute in dieser Welt beisteht und leitet, damit wir Gott und den Nächsten nicht aus Augen und Herzen verlieren.
Unser Orden hat dieses Hochfest von Anbeginn an mit allen und für alle seine geistlichen Freunden gefeiert. Ja, wir brauchen unsere Freunde. Sie gehören eng in unsere Gemeinschaft, und ohne sie wäre unsere Seelsorge und Pastoral schier undenkbar. Wir können nur in und mit Beziehungen leben. Ohne Vertrauen kein fruchtbares Leben und Wirken!
Maria, die Mutter vom Trost, zeigt uns ihren Sohn, der auf ihrem Schoß sitzt und der den Augustinergürtel in seinen Händchen hält, quasi als Symbol der Verbundenheit im Orden. – Zugleich erinnert uns das Fest an die mütterliche Seite Gottes:
Freut euch mit Jerusalem und jauchzt in ihr alle, die ihr sie liebt! Jubelt mit ihr, alle, die ihr um sie trauert, auf dass ihr trinkt und satt werdet an der Brust ihrer Tröstungen, auf dass ihr schlürft und euch labt an der Brust ihrer Herrlichkeit!
Denn so spricht der HERR: Siehe, wie einen Strom leite ich den Frieden zu ihr und die Herrlichkeit der Nationen wie einen rauschenden Bach, auf dass ihr trinken könnt; auf der Hüfte werdet ihr getragen, auf Knien geschaukelt.
Wie einen Mann, den seine Mutter tröstet, so tröste ich euch; in Jerusalem findet ihr Trost. Ihr werdet das sehen und euer Herz wird jubeln und eure Knochen werden sprossen wie frisches Grün. So offenbart sich die Hand des HERRN an seinen Knechten...
Wie einen Mann – einen Krieger und Soldaten wohl – des Kämpfens müde geworden seine Mutter tröstet … so tröstet Gott uns, wenn wir der Kämpfe müde geworden sind, müde geworden sind vom sich durchsetzen müssen, vom Recht haben müssen, wenn wir unser Unvermögen zulassen, unser Scheitern einsehen, einander um Vergebung zu bitten wagen.
Gott ist wie eine Mutter. Gott weiß zu trösten, weiß um uns. Gott bittet uns, die Beziehung zu IHM zu pflegen. Gott ist Beziehung, ist die Liebe. Gott lädt uns ein, Beziehungen zu wagen und so eine Gemeinde zu werden, wo wir einander tragen und manchmal auch ertragen können, wo wir nicht nur auf Fassade und Stärke setzten, sondern einander zu Gott führen, der unser Trost ist.
(Kyrie-Lied)
Setze dich aufrecht, aber entspannt auf deinen Stuhl. Wenn Du magst, schließe auch die Augen. Beobachte Deinen Atem: Er kommt und geht ganz von allein...
Du darfst sein, wie du bist. Du bist getragen, so wie Du bist. Der Stuhl und der Boden unter deinen Füßen – sie lassen Dich nicht fallen.
Du bist getragen.... Du bist angenommen, geliebt, getragen...
Ich sehe vor meinem inneren Auge Maria und das Kind auf ihrem Schoß. Maria hat Jesus getragen: ausgetragen – geboren – Jesus das Leben geschenkt – ins Leben hineingetragen – aufgehoben und weitergetragen – …
Maria, Du weißt dich auch von IHM getragen: von Jesus, deinem Sohn. – Maria, du Mutter des HERRN, du zeigst mir Jesus. – Du siehst mich an und lädst mich ein, IHM zu vertrauen, denn auch Du hast Gott ganz vertraut. Du hast JA gesagt, denn Du warst gefragt: Du, das junge Mädchen aus Nazareth. Du bist die Mutter Gottes, wie wir Dich seit vielen Jahrhunderten bezeichnen.
Du zeigst mir Jesus, deinenSohn: Nur Mut, hab Vertrauen. Jesus ist und bleibt auch bei dir – dein Retter! ER hat sich für dich klein gemacht, damit Du Vertrauen fassen kannst. Vertraue nur! ER wird dich nicht enttäuschen.
Maria, Du hältst deinen Sohn auf Deinem Schoß. Und ER hält Dich. ER mag auch mich halten. Wie eine Mutter ihr Kind hält und birgt. – So gehalten vertraue ich mich Gott an.
+ Der Herr, der Augustinus zum Lehrer seiner Kirche und des klösterlichen Lebens berufen hat, sei mit euch!
Wir feiern das Hochfest des hl. Augustinus, den Gott in seine Kirche gerufen hat und der als Bischof, Kirchenlehrer und Inspirator klösterlichen Lebens viele Ordensgemeinschaften und die ganze Kirche geprägt hat. Zum ersten Mal feiern wir sein Fest in der Brunnenkirche, die uns nun schon ein Jahr lang Heimat schenkt. Dieser historische Ort, an dem Bonifatius getauft hat, erinnert an unsere eigene Berufung: Wir sind hineingetaucht in Gottes Gnade, sind seine geliebten Söhne und Töchter.
Augustinus, der Lehrer der Gnade, war sich bewusst, dass er sein Leben dem HERRN verdankte. Gott hat ihn zu dem gemacht, was er heute für uns ist. Erst letzten Donnerstag haben wir im Augustinus-Lesekreis den schönen Satz miteinander gelesen, in dem Augustinus Gott direkt anspricht: „O Herr, der Du mit sanfter, gütiger Hand mein Herz in Angriff nahmst und in Ordnung brachtest...“ (conf VI,5,7).
Mit sanfter, gütiger Hand nimm nun auch unser Herz in Angriff, gütiger Vater. Lass uns deine Kinder sein. Erneuere uns nach deinem Bild. Mache uns zu einer Gemeinde, die dir und den Menschen diene und in allem dein Lob verkünde.
(Kyrie)
„Damit ein Anfang sei, wurde der Mensch geschaffen.“ – Gott schuf uns mit der Fähigkeit, einander Freund oder Freundin zu sein. Jede Freundschaft setzt einen Anfang, indem Menschen sich aneinander binden. Die Verlässlichkeit ihrer Beziehung schafft etwas, das Bestand hat.
Augustinus hatte eine große Begabung zur Freundschaft. Ihm wird ein „unstillbares Zuneigungsbedürfnis“ zugeschrieben, er brannte sozusagen auf Befreundungen. Dabei hatte er einen sehr hohen Anspruch an Freundschaft. Eine wunderbare Beschreibung lesen wir in den Confessiones:
Miteinander plaudern und lachen, sich Gefälligkeiten erweisen, gemeinsam schöne Bücher lesen, miteinander scherzen und sich gegenseitig Achtung schenken; bisweilen Meinungsverschiedenheiten austragen, aber ohne Hass, wie man auch einmal mit sich selbst uneins ist; Durch den nur selten vorkommenden Streit die sonst meist bestehende Übereinstimmung würzen; einander belehren und voneinander lernen; die Abwesenden schmerzlich vermissen, die Rückkehrenden freudig begrüßen: durch solche und ähnliche Zeichen, wie sie in Liebe und Gegenliebe aus demHerzen sich äußern in Kuss, Worten, Blicken und tausend freundlichen Gesten, einander in Bewegung versetzen, so dass aus den vielen eine Einheit wird. Das ist es, was man an Freunden liebt und dermaßen liebt, dass man sich Gewissensvorwürfe machte, wollte man nicht Liebe mit Gegenliebe, Gegenliebe mit Liebe vergelten, wollte man vom anderen noch Greifbareres verlangen als solche Beweise des Wohlwollens.“ (Augustinus, Confessiones 4,8,13)
Damit scheint alles gesagt. Das schöne Loblied gilt einem Freund Augustins, der unbenannt bleibt. Wenig später fügt Augustinus ein „Aber“ hinzu. Zwar waren die beiden ein Herz und eine Seele. Es fehlte den beiden jedoch der gemeinsame Bezug zu Gott.
In einem Brief an den Freund Marcianus schreibt Augustinus später:
„Freundschaft ist Übereinstimmung in irdischen und göttlichen Dingen mit Wohlwollen und Liebe." (Brief 158 an Marcianus)
Er begründet es: „So kommt es, dass zwischen den Freunden, die nicht in göttlichen Dingen übereinstimmen, auch der Gleichklang in irdischen Dingen nicht vollkommen und wahr sein kann. Wer die göttlichen Dinge verachtet, schätzt die irdischen anders ein, als es sich gehört, und wer den nicht schätzt, der den Menschen geschaffen hat, weiß den Menschen nicht richtig einzuschätzen.“ (Brief 158)
Anders gesagt: Ohne Liebe zu Gott weiß ich nicht, wie ich den Menschen lieben kann, weil ich ihn nicht im richtigen Licht sehe. Nur wo Gott der dritte im Bund ist, kann die Freundschaft Bestand haben.
Das ist streng. Augustinus lässt sich vom Zeugnis der Apostelgeschichte über den Geist der Urgemeinde leiten. „Die Menge aber der Gläubigen war ein Herz und eine Seele; auch keiner sagte von seinen Gütern, dass sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemein“ (Apostelgeschichte 4, 32). Nicht nur für das Band zwischen zwei Menschen, auch für sein Bild von der Kirche Jesu Christi ist dieser Geist der Urgemeinde Vorbild, auch finden wir es in seiner Ordensregel: „Lebt also alle wie ein Herz und eine Seele zusammen und ehrt gegenseitig in euch Gott; denn jeder von euch ist sein Tempel geworden (vgl. 2Kor 6,16).“
Doch für mich bleibt eine Frage: kann ich mich dann überhaupt mit Menschen befreunden, die sich nicht zu Jesus Christus bekennen? Mich beeindruckt auch ein anderes Ideal von Freundschaft, wie es Luthers Zeitgenosse Montaigne im Hinblick auf La Boetie bekannte: „’Weiler er war, weil ich ich war.’ Vielleicht genügt es, den anderen um seiner selbst willen zu lieben. Damit kann Freundschaft zu einem ein Abbild der Liebe Gottes zu uns Menschen werden.
Und wir als Gemeinde? Ob wir uns im Sinne Augustins als Kreis von Freundinnen und Freunden verstehen, wird uns wohl immer einmal wieder beschäftigen.
+ Jesus Christus, der gekreuzigte Auferstandene, der Tröster der hl. Mutter Monika, sei mit euch!
Letzten Donnerstag haben wir im Augustinus-Lesekreis im 6. Buch der Confessiones folgende Sätze Augustins gelesen: „Ich seufzte in Nöten, und Du (Gott) hörtest mich; ich war ein Spiel der Wellen, und Du saßest am Steuer; ich ging die breite Straße der Welt, und du verließest mich nicht.“
Dabei bedient sich Gott meist Menschen, die er uns an die Seite stellt. Bei Monika, der Mutter Augustins, scheint das besonders zuzutreffen. Sie hat Augustinus nicht nur geboren, sondern ihn auch in den Zeiten begleitet, in denen er gebochen hatte mit dem Glauben seiner Mutter – in denen er unterwegs war auf der „breiten Straße der Welt“. Da hat sie ihn nicht verlassen.
Ihr Fest feiern wir heute. Möglicherweise regt sich dabei in uns eine Dankbarkeit: Vielleicht für die eigene Mutter, die meine Wege begleitet hat mit ihrer bedingungslosen Liebe. Vielleicht für andere Menschen, die manche Volte mit mir durchgestanden haben und auf die ich mich dennoch verlassen konnte. Zu viele Menschen werden das vielleicht nicht sein; umso wertvoller, wenn es sie gibt. Vielleicht auch einfach, dass wir Gott immer wieder spüren konnten, der uns niemals fallen lässt.
Wir leben aus Gottes Erbarmen. Wir leben davon, dass er das Steuer unseres Lebens in Händen hält und uns begleitet. Wir leben von Seiner Vergebung, die wir auch jetzt wieder neu erbitten.
Monika, die Mutter des heiligen Augustinus, ist Vorbild und Schutzpatronin der christlichen Mütter. Was wir von ihr wissen, das wissen wir durch ihren Sohn, der in seinen autobiographischen „Bekenntnissen (confessiones)“, einem der meistgelesenen Meisterwerke aller Zeiten, über sie erzählt. Augustinus sagt, er habe den Namen Jesu mit der Muttermilch aufgesogen und sei von Monika in der christlichen Religion erzogen worden. Auch in den Jahren seiner geistlichen und moralischen Wirren war so ein Grund in ihm gelegt worden, der ihn prägte und von dem er letzten Endes nie abwich.
Erst letzten Donnerstag haben wir im Augustinus-Lesekreis die Reflexion Augustins gelesen, wo er schreibt, dass selbst in der Dialektik der Probleme, die er mittels verschiedener Philosophen gewälzt habe, „das eine nie gelungen war, mir den Glauben zu entwinden, dass Du bist – mochte ich auch nicht wissen, was Du bist –, noch den Glauben, dass die Führung der menschlichen Dinge bei Dir steht“(conf VI,5,8). So tief war also die Offenbarung Gottes durch den Glauben Monikas in ihren Sohn Augustinus gedrungen, dass dieses Fundament für ihn nie in Frage stand.
Und Monika? Sie hörte nie auf, für ihn und seine Bekehrung zu beten. In meinen jungen Jahren wurde das schon gerne mal belächelt: eine Mutter, die wie eine Betschwester ihre Umwelt und wahrscheinlich auch Gott nervte mit ihrem Gejammere... Heute denke ich darüber anders. Es tut mir mehr als gut, wenn ich weiß: Es wird für mich gebetet. Meine Mutter tut das sowieso, aber auch viele andere Frauen und Männer, die mich durch ihr Gebet tragen. Ja, ich weiß mich durch sie getragen.
Monika wurde tatsächlich der Trost zuteil, dass sie erleben durfte, wie Augustinus zum Glauben zurückfand und die Taufe empfing. Gott erhörte die Gebete dieser heiligen Mutter. Jahre vorher hatte Bischof Ambrosius von Mailand zu ihr gesagt: „Ein Sohn so vieler Tränen kann nicht verlorengehen!“ Dass sie dieses Wort ernst nahm und sich daran festhielt, ist für mich zumindest großartig.
Tatsächlich bekehrte sich Augustinus nicht nur. Er wollte nun auch in einem Kloster leben – allerdings nicht in der Einsamkeit, sondern in einer lebendigen Gemeinschaft. Nach seiner Rückkehr nach Afrika gründete er in seinem Elternhaus, das er geerbt hatte, seine erste klösterliche Gemeinschaft.
Bewegend ist die Erzählung von einem letzten, tiefen geistlichen Gespräch zwischen ihm und seiner Mutter Monika in der Stille eines Hauses in Ostia. Dort, in der Hafenstadt Roms, warteten sie darauf, mit dem Schiff nach Afrika, zurück in die Heimat also, aufzubrechen. Augustinus schreibt an dieser Stelle der Confessiones, seine Mutter sei ihm damals schon „mehr als eine Mutter“geworden. Sie habe ihn „zweimal zur Welt gebracht“. Mehr und mehr sah er in ihr „die Quelle seines Christentums“. Monika war letztlich um ihn besorgt, wie die Mutter Kirche selbst, die sich um das Heil ihrer Kinder sorgt und müht.
Jahrelang war Monikas größter Wunsch die Bekehrung ihres Sohnes. Nach seiner Taufe in Mailand und während der Wartezeit in Ostia, wusste sie, dass Augustinus für das geistliche Leben Feuer gefangen hatte. Er wollte Gott suchen, und IHN immer weiter suchen. So konnte Monika zufrieden sterben.
Augustinus schreibt dazu in den Bekenntnissen:
Du aber weißt, Herr, dass meine Mutter an jenem Tage, als wir so miteinander redeten und die Welt mit allen ihren Freuden jeglichen Reiz für uns verlor, das Wort ergriff und sagte: Mein Sohn, was mich anlangt, so freut mich jetzt nichts mehr in diesem Erdenleben. Was ich hier noch tun und wozu ich hier noch bleiben soll, ich weiß es nicht, denn weltliche Hoffnungen gibt's für mich nun nicht mehr. Das einzige, weswegen ich noch eine Weile zu leben gewünscht, war: Ich wollte vor meinem Tode dich gern noch als katholischen Christen sehen. Das hat mir Gott überreichlich gewährt, denn nun sehe ich, du bist sein Knecht und hast auch allem Erdenglück entsagt. Was denn soll ich hier noch?
Bald darauf, es mochten fünf Tage oder wenig mehr verstrichen sein, erkrankte sie am Fieber. Als sie nun krank lag, erlitt sie eines Tages einen Ohnmachtsanfall und verlor für kurze Zeit das Bewusstsein. Wir eilten herbei, aber bald kam sie wieder zu sich, sah mich und meinen Bruder dastehen und richtete an uns die verwunderte Frage: Wo war ich denn? … Begrabt meinen Leib, wo es auch sei, und macht euch keine Gedanken darum. Nur um eins bitte ich euch, gedenkt meiner, wo immer ihr euch aufhalten mögt, am Altar des Herrn. …
So ward denn am neunten Tage ihrer Krankheit, im sechsundfünfzigsten Jahre ihres Lebens und meinem dreiunddreißigsten, diese fromme und gläubige Seele von den Banden des Leibes erlöst. Ich drückte ihr die Augen zu, und unsägliche Trauer brach über mein Herz herein.
(Augustinus:Bekenntnisse, übertr. v. W. Thimme. Reclam 1977, 250-255)
Die Geschichte des Christentums ist voll von zahllosen Beispielen heiliger Eltern und echter christlicher Familien. Monika war eine wahre Kämpferin. Sie hielt fest am Vertrauen, dass Gott die Wege ihres Sohnes führen werde. Und auch Augustinus selbst sagt, Gott habe ihn hinter seinem eigenen Rücken hervorgezogen, damit er sich seiner eigenen Hässlichkeit – oder sagen wir seiner Erlösungsbedürftigkeit – stelle.
"Du aber, Herr, Du holtest mich während seines Redens zu mir selbst herum, Du holtest mich hinter meinem eigenen Rücken hervor wo ich mich versteckt hatte, um mich nicht selbst anschaun zu müssen. Jetzt zeigtest du mir mein Gesicht, damit ich sähe, wie hässlich ich sei, wie verkrüppelt und schmutzig, voll Sudel und Geschwür." (Conf. VIII, 7, 16).
Wo jemand anfängt, sich bewusst zu werden, dass er bedürftig ist, dasser Gott braucht, um derjenige oder diejenige zu werden, der er wirklich ist, da kann Gottes Liebe ihn erreichen. „Gott ist uns inniger als wir uns selber sind“, auch das ein Wort Augustins, das er immer wieder gebraucht. Gott ist nicht fremd. Er führt uns vielmehr zu uns selbst zurück.
Monika hat mit ihrer verschwenderischen Liebe zu ihren Kindern und insbesondere zu Augustinus den Grund gelegt, auf dem Augustins Erkenntnis der Liebe Gottes wachsen konnte. Gottes mütterliche Liebe zu uns, seinen Kindern – sie mag unsinnig und übertrieben wirken, wie die Liebe Monikas. Aber sie führt uns letzten Endes zum Ziel: Zum Leben in Fülle, das wir nur in Gott finden können.
Bis heute ist die verschwenderische Liebe von Eltern die Basis, auf der die Kinder ihren Weg gehen können. Und ich möchte vertrauen, dass Gott niemanden verlässt, der ihm einmal anvertraut wurde.
Sommerkonzert im Garten hinter der Brunnenkirche: Sabine und Thomas Lindner musizierten und lasen Texte über die Schöpfung. Harfe, Kantele und das Glockenspiel erklangen im Hof und begeisterten die zahlreichen Zuhörer.
„Sonnengesang“ hatten die beiden Künstler den Abend überschrieben. Br. Jeremias steuerte zwei kurze Augustinustexte bei.
Beim knisternden Feuer konnten die Zuhörer zum Beispiel ein Glas Wein genießen. Noch lange nach dem Konzert dauerten die Gespräche an. – Ein wunderbarer Abend!