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July

2023

Vom Schatz im Acker und der kostbaren Perle (Mt 13,44-52)

Bruder Jeremias OSA

Predigt von Br. JeremiasM. Kiesl OSA am 17. Sonntag imJahreskreis | Lesejahr A in der Brunnenkirche zu Erfurt
Eingang

Was kostbar ist, das darf auch etwas kosten. Manche geben richtig viel für das, was ihnen wirklich kostbar ist. Wofür würde ich viel geben? Wofür würde ich vielleicht sogar alles geben?

Im heutigen Evangelium begegnen uns Menschen, die vor Freude alles geben, weil ihrer tiefsten Sehnsucht Erfüllung geschenkt wird. Sie werden beide fündig: Der eine stößt eher zufällig auf einen Schatz im Acker, der andere findet nach langer Suche die besonders kost­bare Perle. Der Reichtum des Evangeliums ist genau das, was sie ersehnt haben, ist „alles Gute“, was ein Mensch braucht, was ihn glücklich und froh macht.

Möchte auch ich den Schatz meines Lebens heben? – Rufen wir den HERRN in unsere Mitte.

Predigt

Noch einmal hören wir an diesem Sonntag aus dem „Gleichniskapi­tel“ des Evangelisten Matthäus, aus dem 13. Kapitel: Vom Schatz im Acker, von der kostbaren Perle und vom Fischnetz.

Mit dem Himmelreich ist es wie...“, sagt Jesus. Es sind Bild­worte, kei­ne dogmatischen Festlegungen, die sich wasser­dicht und eins zu eins übertragen ließen. Das funktioniert ja schon bei den sechs Gleichnis­sen des genannten 13. Ka­pitels nicht. Das Himmelreich ist bunt und vielfältig schon mitten unter uns.

Entsprechend sind auch die Umstände sehr verschieden, wie ein Mensch das Himmelreich findet uns sich von ihm packen lässt. Das lässt sich nicht auf einen einzigen Nenner bringen. Es ist vielmehr wie so oft, wenn wir wichtiges zur Sprache bringen wollen: Da müs­sen wir analog reden, wir brauchen mehrere Anläufe und Bilder, Symbole, die erst in ihrer Gesamtheit dem Eigentlichen nahe kom­men.

Ganz unterschiedlich lässt sich Gottes Reich finden. Da ist von einem Mann die Rede, der in einem Acker gräbt – der ihm noch nicht ein­mal selbst gehört, wie wir später erfah­ren. Seltsam. Wie geht das?

Ich könnte mir vorstellen, dass die Tagelöhner unter den Zuhörern Jesu hier besonders die Ohren spitzten. – Du bist bei deiner alltägli­chen, anstrengenden und manchmal viel­leicht sogar stupiden Arbeit. Alltagsroutine eben. Eigent­lich erwartest du nichts Besonderes. Eher zufällig wie dem Mann im Gleichnis fällt dir unversehnes reichlich Himmel zu. Weil du deine alltägliche Arbeit gut machst, weil du kei­ne Angst vor dem Schmutz des Alltäglichen hast und dich nicht scheust, dir beim Graben die Hände schmutzig zu machen, bleibst du nicht an der Oberfläche. In der Tiefe findest du den Schatz. Im treu­en und zuverlässigen Erfüllen deiner Aufgaben darfst du einen tiefe­ren Sinn entdecken.

Das Himmelreich ist nichts Abstraktes und Fernes. Es ist uns jederzeit nahe. Du kannst es mitten im Alltag finden – in der Treue zu deinen alltäglichen Aufgaben wird es plötz­lich sichtbar.

Und es ist verbunden mit unbändiger Freude! Mit Blick auf das Him­melreich kann ein Mensch nicht mehr streng ver­bissen sein. Er wird frei, alles hinzugeben, um den Acker zu besitzen, in dem er den Schatz gefunden hat. Oder hat der Schatz ihn gefunden? Du bist be­stimmt für das Himmel­reich! Was brauchst du mehr?

Andere Menschen sind eher wie der Mann im zweiten Gleichnis. Es erzählt von einem Experten, der systematisch nach schönen Perlen sucht. Sein Forschen und Suchen ist aufwändig, akribisch; es braucht eine gewisse Ausdauer. Aber dieser Mensch weiß: die schönste Perle ist es wert, sie zu besitzen, auch wenn ich dafür alles andere hinge­ben muss.

Wieder: Es ist letzlich die Freude, die ihn antreibt. Keine verbis­se­nes „Du musst!“ - Mich erinnert das an einen Rat des hl. Ignatius von Lo­yola. Bei Entscheidungen ist es wich­tig darauf zu achten, wo die grö­ßere Freude entsteht. Die­se Freude ist ein Indiz dafür, dass die Ent­scheidung richtig ist. Damit ist nicht der billige Spaß gemeint, der mich im Moment überfällt. Gemeint ist die Freude über das Kostba­re, das ich gewinnen kann. Und das darf dann auch etwas kosten, darf sogar sehr viel kosten! Die Freude über die kostbare Perle wiegt die Mühen spielend auf.

Suche das Himmelreich! Nutze deinen Kennerblick! Du weißt längst, die kostbare Perle von den billigen Mode­klunkern zu unterscheiden. Bete um ein „hörendes Herz“, wie es Salomo in der heutigen Lesung tat. Dann hast du den rechten inneren Kompass.

Das dritte Gleichnis handelt von Fischern, die ihr Netz in den See werfen und alles an Land ziehen. Dieses Bildwort lässt den Fischen und Beifang keinen Spielraum, sich für oder gegen das Himmelreich zu entscheiden. Das Entschei­den und Sortieren ist Sache der Fischer respektive der En­gel. Das sollte uns – wie schon bei vorhergehen-den Gleich­nissen – Grund genug sein, nicht selber zu urteilen, wer unter welchen Vorraussetzungen zu den Guten gehört und wer nicht. Das ist und bleibt Sache Gottes.

Ja natürlich gibt es Kriterien, was gut und was böse ist. Das weißt du sehr wohl! Handle danach. Punkt. Aber hüte dich, selber dich als Richter oder Richterin aufzu-spielen. Das darfst und musst du getrost dem wahren Richter dieser Welt überlassen.

Mich erinnert der Feuerofen an die großen Bilder aus dem Buch Da­niel, mit dem wir uns im vorigen Jahr im Januar während der Bibel­woche ausführlich beschäftigt haben. Mit einigem Recht können wir davon ausgehen, dass Jesus und auch Matthäus sehr von diesen frühjüdischen Denkbil­dern geprägt waren. Dann aber wäre der Feu­erofen der Ort der Läuterung, an dem Gott sein Volk und die ganze Welt reinigt. Das Böse wird verbrennen wie Spreu und Ab­fall. Das Gute wird wie Gold geläutert. Das ist ein schmerz­hafter Prozess, aber Gott hat die Fäden in der Hand. Die Gerechten sollen strahlen und leuchten.

Das kann auch ein Prozess in einem jeden Menschen sein. Sicher hat die Antike eher in der Summe gedacht, wir sind heute individualisti­scher gestrickt. Aber auch für unsere Denkweise kann es ein Trost sein, wenn das Dunkle und Böse nicht ewig an mir haften bleibt. Gott selbst wird mich von der Schlacke des Bösen befreien. Endgül­tig. Gott sei Dank!

Die Netze, die ausgeworfen werden, erinnern mich an den Auftrag Jesu an seine Jünger, die Netze auszuwerfen. Wir wissen nicht, wen wir ansprechen mit der Botschaft des Evangeliums. Das ist auch letztlich nicht unsere Sache. Un­ser Auftrag ist und bleibt, die Netze auszuwerfen. Man wird sehen, wen die Jesu Botschaft ergreift, wer IHM nach­folgen wird. Manches wird in unseren Netzen auch mitge­zogen, das keinen bleibenden Wert hat. Aber nicht immer ist es in unserer Macht, uns davon zu trennen. Oft können wir nicht gut ent­scheiden, was dem Reich Gottes wirklich dient. Überlassen wir es Gott und seinen Engeln, am Ende zu sortieren. Das Gute wird von Gott gesammelt werden.

Lass du dich vielmehr fragen:

  • Hast du deinen Schatz schon gefunden? Wonach willst du su­chen? Was macht dich wirklich froh?
  • Was darf dir dein Glaube an Gott kosten? Was ist dir dein Le­ben aus dem Evanglium wert?
  • Das Himmelreich ist unendlich und kostbar. Was bist du zu geben bereit?

23

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July

2023

Vom Unkraut unter dem Weizen, vom Senfkorn und vom Sauerteig (Mt 13,24-33)

Bruder Jeremias OSA

Eingang

+ Der HERR, der unserem Leben Wachstum und Gedeihen schenkt, sei mit euch!

DieKirche ist eine „massa permixta“ – eine Mischung ausgu­ten und weniger guten Eigenarten und Unarten, ja sogar ausguten und schlechten Menschen. Das wird uns immer wieder bewusst –gerade weil ich zumindest mir oft eine starke, fes­te, eine„reine“ Kirche wünschte, die besser zum Zeugnis in derWelt fähig wäre...

AberWeizen und Unkraut stehen auf demselben Acker. Die Kir­che Gottesbesteht aus Sündern und Heiligen. Wo verläuft die Gren­ze?Wo ziehen wir die Grenze? – Gott hat uns nicht  zu Dammwächternoder Grenzziehern bestellt. Er ruft uns zur Nachfolge, trotz unsererSchuld. Lasst uns also hoffen und lieben – wie ER!

DenHerrn der Ernte, der jedem Einzelnen in der großen Gemeinschaft derKirche Wachstum schenkt, uns aber zum Aufbau des Gottesreiches ruft,bitten wir um sein Erbar­men.

Kyrie
Predigt zu Mt 13,24-33

Was sind denn guter Same, Weizen oder Unkraut?

Vor einigen Jahren war ich mit Jugendlichen in der Dübener Heide unterwegs. Auf dieser Wande­run­g trafen wir etliche Men­schen auf der Suche nach besserer Lebensqualität. Unter anderem ei­nen Waldbauern, der seit einigen Jahren bei der Wiederauffors­tung auf das berühmt-berüchtigte Round-up (Glyphosat) verzich­tet. Dafür zahlt er einen hohen Preis: Denn nun wuchern auf den gerodeten Flächen Brombeeren und Wicken. Sie drohen die klei­nen Setzlinge zu ersticken und müssen statt durch Gift per Hand in Zaum gehalten werden. Das ist äußerst anstrengend. Zwar waren wir an die 30 Leute, konnten aber binnen einer Stunde nur wenige Quadratmeter Unkraut frei machen. Vermutlich ist alles schnell nach­gewuchert, weil wir nicht alle Wurzeln erwischt haben...

Macht das Sinn, so zu wirtschaften? Der Waldbauer erzählte, dass der Boden durch Glyphosat wie tot sei. Kaum Würmer und Kä­fer, kaum Bakterien. Er vertraut darauf, dass ein gesunder Boden lang­fristig doch den Schaden wett machen wird, den er jetzt we­gen seines Verzichts auf das Gift in Kauf nimmt.

Ist Jesu Gleichnis praktikabel, alltagstauglich? Ziemlich sicher geht es hier nicht um Garten-Tipps. Der heutige Text­ausschnitt ist bei Matthäus in das 13. Kapitel einge­bet­tet. Letzten Sonntag haben wir das Gleichnis vom Sämann ge­hört, der un­verdrossen aussät, obwohl er weiß: Nicht jedes Saat­korn fällt auf frucht­baren Boden. Vieles verdirbt. Aber es wird dennoch reiche Ernte geben.

Gleichnisse sind keine fest definierte Dogmatik. Sie sind und blei­ben deutungsoffen! Sie führen uns ins Nachdenken: Was dient dem Reich Gottes? Wie wächst es? Welche Rolle spielen wir, wenn wir mitarbeiten an der Verkündigung dieses Gottesreiches? Wo stoßen wir an Grenzen? Wo tun sich andererseits Spielräume auf? Matthäus hat im 13. Kapitel eine ganze Sammlung von Gleichnis­sen über das Reich Gottes angelegt. Nur in der Gesamtheit der Aspekte erschließt sich für uns der Raum, in dem Gottes Wirken be­greifbar oder zumindest zu erahnen ist.  

Der Ackerbesitzer im Evangelium sagt ein klares Nein, als man ihn fragt: Sollen wir das Unkraut ausreißen oder nicht? - „Nein, [...] lasst beides wachsen bis zur Ernte.“ (Mt 13,29f.) Weiß er nicht, wie schlimm Unkraut wuchert? Doch. Trotzdem: Beides darf wachsen, weil sonst auch der Weizen Schaden nimmt. Beides darf wachsen, weil wir nicht immer unterscheiden können zwischen Weizen und Unkraut. Wir dürfen eine gute Ernte erwarten, wenn wir ge­duldig reifen lassen, statt verfrüht ans Ausreißen zu gehen.

Das war immer die „katholische“ Antwort der Kirche – wenn sie denn wirklich allumfassend, weltweit oder (frei übersetzt) „bunt“ geblieben ist. Sicher, es gab zu oft die Versuche, das „Unkraut“ aus dem „Weizen“ herauszureißen, und da nahm die Kirche im­mer selber Schaden. Die eigentlich „katholische“ Lösung ist eine integrative. „Einheit in Vielfalt“ könnte man dieses Konzept nen­nen. Notwendig ist Ein­heit im Glauben an den einen Gott und den auferstandenen HERRN – ohne faule Kompromisse!

Vielfalt braucht es aber im Reichtum der For­men, den einen Herrn zu loben und zu preisen. Das sollte auch der Ökumene Im­pul­se geben können. Denkt nur: Neben dem „lateinischen“ Teil der kat­ho­lischen Kirche gibt es noch 22 weitere Teilkirchen mit je eige­nem Ritus und Recht, aber in voller Gemein­schaft mit dem Papst. Der Zölibat gilt da nur für Bischöfe, nicht für den niederen Klerus.

Im Kongo, wo sich meine Ordens­provinz stark engagiert, gibt es neben dem Ordentlichen Ritus auch den „Rite Zairoise“. Eigene Li­turgieformen benutzen die Ortskirche von Mailand oder auch der Dominikanerorden. Die Benediktiner und etliche andere Orden haben ihr eigenes Stundenbuch, während wir Augustiner genau dasselbe Buch benutzen wie der Weltklerus.

Verwirrend? Vielleicht eher ein Widerhall der Größe und Weite Gottes, der von so vielen Völkern und Nationen erkannt wird. Starre Uniformität ist eigentlich undenkbar. Wir erkennen ja in Gott selbst bereits Vielfalt: GOTT trägt keinen bestimmten Artikel („der Gott“). Das würde GOTT zu sehr auf ein Ge­schlecht ein­engen oder suggerieren, wir könnten ihn genau definieren. GOTT ist – als un­begreifliches Geheimnis – in sich bereits Vielfalt. Zu­gleich ist GOTT engste Gemeinschaft: ein Gottin drei Personen.

Diese Andeutungen können uns auch heute Mut zur Gelassenheit schenken. Vieles von dem, was leidenschaftlich hoch gekocht wird, könnte sich am Ende doch als hohle Nuss erweisen. Nicht al­les Neue ist wertvoll, bloß weil es neu ist. – Umgekehrt gilt: Sich gegen jede Veränderung abzuschotten, hieße die Zeichen der Zeit zu ignorieren. Jede Zeit braucht ihre eigenen Formen und Sprech­weisen, um das Gottesgeheimnis heute lebendig zu hal­ten. Wenn wir nur eine Sprache für Insider benützten – wie könnten wir da Verkünder der Frohen Botschaft in dieser Welt sein?

Lasst beides wachsen bis zur Ernte.“ (Mt 13,29f.) Dann wird sich durch Gott selbst entscheiden, was Weizen ist und was über­flüssi­ger Wildwuchs. Gott hat anscheinend keine Bedenken, dass die Ernte durch das Unkraut gefährdet würde. ER nicht!

Lassen deshalb auch wir beides wachsen: das Bewahrende und das Erneuernde! Die Ernte wird es erweisen, wiewertvoll oder wertlos es war. Oder anders: Wir brauchen das nicht für Gott ent­scheiden! Ernten und unterscheiden werden Seine Engel!

Man spricht so oft von der Krise der Kirche: Unter der Asche je­doch glimmt noch immer die Glut des göttlichen Geistes. Das führt uns doch zusammen, das stärkt uns für unsere Auf­ga­ben im Alltag. Oder warum haltet ihr fest am Glau­ben? Warum seid ihr dieser Kirche nicht überdrüssig geworden?

Seien wir Sauerteig mitten in der Welt, in der wir leben! Wenn es sein muss, auch als kleine Minderheit! Das Reich Gottes wächst aus dem Kleinen. Langsames Wachstum bewirkt „Nachhal­tigkeit“. Der Sauerteig durchsäuert alles, ist Ferment des Besse­ren: ohne Getöse, doch wirkungsvoller als manche „hei­ße Luft“, mit großer Geste produziert. Round-up macht dem Unkraut den Garaus. Man darf aber nicht fragen, was da­durch noch alles vergiftet wird...

Lasst uns als Menschen des Gottesreiches demütig die Glut der Werte nähren, die unser Gemeinwohl aufgebaut und gefestigt ha­ben – Toleranz, Menschenrechte, Verantwortung, Solidarität ... al­les zutiefst christliche Werte! Dieses Bewusstsein tragen wir wei­ter, unbeirrt – manchmal auch gegen den tages­aktu­el­len Trend.

Christus trägt uns auf, Geduld miteinander zu haben und auch mit uns selber. Geduld ist nicht gerade unsere Stärke. Wir finden zu ihr nur in der Gewissheit, dass Gott selbst für die gute Ernte sorgen wird. Darauf dürfen wir getrost vertrauen!

Wenn wir in dieser Klarheit zu leben beginnen, dann gilt schon jetzt: „Die Gerechten werden im Reich ihres Vaters wie die Sonne leuchten“ (V. 43). Zu dieser Klarheit kann nur Gott uns füh­ren, nicht erst bei der Ernte, wenn die Spreu getrost verbrennen darf. „Wer Ohren hat, der höre!“  

16

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July

2023

Das Gleichnis Jesu vom Sämann (Mt 13,1-9)

Bruder Jeremias OSA

Eingang

+ Jesus Christus, Wort und Brot des Lebens, sei mit euch!

Wir Menschen erleben die selben Dinge oft ganz verschieden. Was den einen ergreift und tief bewegt, lässt einen anderen völlig kalt – und umgekehrt.

So ist es auch mit dem Wort Gottes. Manche lassen sich von Jesus ergrei­fen und stellen ihr Leben ganz auf ihn ein. Ande­ren ist er kein Gedanke (mehr) wert. Sie haben und finden keinerlei Beziehung zu ihm.

Auch in uns selber können wir diese Erfahrung ma­chen. Was wir schon unzählige Male gehört oder überhört haben, das trifft uns eines Tages zutiefst. Es geht unter die Haut. Was im­mer abgeperlt ist an uns – nun bringt es uns in Bewegung: Wie wird uns heute das Wort Gottes, so alt und so neu, treffen? Wird es an uns abgleiten? Findet es den Weg in unser Herz?

Soweit es an uns liegt, wollen wir uns öffnen für die Begeg­nung mit IHM. Darüber hinaus bitten wir den HERRN, dass er selber alle Hindernisse aus dem Weg räume und uns Sein Erbarmen schenke.

Kyrie
Predigt

Im Zeitalter der Selbstoptimierer ist die Parabel Jesu, die wir gerade gehört haben, kaum zu ertragen. Drei Umstände beschreibt Jesus, in denen nichts herauskommt: Das wertvolle Saatgut fällt auf den Weg – und wird von den Vögeln weggepickt; es fällt auf den Felsen, – und kaum aufgegangen, versengt es die Sonne; es fällt unter die Dornen, die viel schneller aufschießen – und das Korn ersticken.

Es wäre zum Verzweifeln, wenn es da nicht doch noch gute Erde gäbe, die das Korn wachsen und gedeihen lässt, die eine reiche Ernte hervorbringt, nicht überall gleich, sondern auch hier sehr differen­ziert, 100- / 60- / 30-fach, damit aber so, dass man am Ende nicht mehr fragen muss, warum der Sämann nicht sorgfältiger auf den Boden geachtet habe.

Ja, der Mann ist Spezialist: Er sät lediglich. Es ist nicht der Bauer, der den Boden vorher bestellt und nachher hegt und pflegt. Der Sämann geht seiner einzigen Aufgabe nach: zu säen. Das heißt mit den Mit­teln der Zeit Jesu eben schlicht und ergreifend: mit ausholenden Be­wegungen über das Feld schreiten und das Saatgut im weiten Bogen loslassen.

Vincent van Gogh hat den Sämann im Jahr 1888 öfter gemalt. Am eindrücklichsten sind die Bilder, in denen er bei Sonnen­unter­gang über den Acker schreitet, das Saatgut in der Schürze ans Herz ge­presst, hinter seinem Kopf die große, sinkende Sonne. Als müsse er gegen die drohende Dunkelheit ansäen!

Das ist für mich wie eine Illustration: Gegen die Angst, gegen die Dunkelheit, hilft nicht das Festhalten dessen, was du hast. Es hilft das Loslassen im Säen dessen, was wachsen soll! Es ist ein Bild, das aus dem Leben und für das Leben kommt. Das Gute wächst, indem du es tust, indem du es nicht berechnend dosierst, hier ein klein we­nig und dort ein bisschen, weil du ja so gut rechnen kannst. Es gilt das Gute großzügig auszusäen, bevor die Sonne sinkt.

Der Sämann rechnet nicht. Er lässt sich nicht entmutigen, dass es Stellen auf dem Acker gibt, die am Ende keinen Ertrag zeitigen wer­den. Das ist so. Aber deshalb innezuhalten oder gar aufhören? Das kommt nicht in Frage!

Viele säen die Angst: Es reicht nicht für alle. Wir können nicht allen helfen. Die Grenzen Europas müssen noch dichter werden. Es gibt genug Not im eigenen Land. Oder auch die Kirche: Wir kümmern uns nur noch um die, die zu uns gehören. Der Staat muss sich um die an­deren selbst kümmern… Das hat eine bestechende Logik.

Aber es ist nicht die Logik des Lebens. Es ist erst Recht nicht die Lo­gik Jesu. Das müssen wir uns zumindest klar machen, wenn wir uns fürdas Rechnen entscheiden. Jesus lehrt uns eine Logik des Lebens, die verschwenderisch und vertrauend ist.

Mein Leben besteht nicht nur aus den Dingen, die mir etwas brin­gen,bei denen etwas heraus­springt. Leben ist viel mehr, als der blo­ße Erfolg. Zum Le­ben gehört auch der Misserfolg, die Krankheit, das Scheitern, der Tod. Davor kann sich niemand 100%-ig schützen. Das alles kann man nicht weg rationalisieren.

Ich kann nicht ständig unter Strom stehen, nicht ständig unter Er­folgszwang, nicht ständig unter Druck. Die Ferien­zeit hat nun begon­nen. Wie froh bin ich um die Zeiten, die frei sind vom Erfolgsdruck! Wie froh bin ich auch über das heutige Evangelium, das mir ein we­nig vom Druck nimmt, erfolgreich sein zu müssen.

In weitem Bo­gen wirft der Sämann den Samen aus, scheinbar ohne jede Berechnung. Dreimal fällt der Same auf schlech­ten Boden und ver­dirbt. Dreimal! Erst der vierte Teil bringt endlich Wachstum.

So mag es dem Wort Gottes auch bei mir oft ergehen. Es trifft mich, und der Alltag, dieser flatterhafte Vogel, pickt es fort, ohne dass die­ses Wort bei mir eine Wirkung entfalten konnte. Oder ich bin für ei­nen Gedanken Feuer und Flamme, bin gepackt vom Wort Gottes, um dann doch so weiter zu leben wie bis­her. Oder das Wort Gottes fällt in meine Dornen, zwischen die vielen Dinge, die sich so furcht­bar wichtig machen – und alles andere ersticken.

Jesus erhebt nicht den moralischen Zeigefinger. Er macht mir keinen Druck. Er tröstet mich vielmehr: Ja, das ist oft so, dass die Alltagssor­gen wie ein dicker Mantel von den Sonnenstrah­len des Wortes Got­tes abschirmen. Jesus lehrt uns das Vertrauen in die Kraft des Wachstums und auf die überfließende Gelas­senheit Got­tes.

Was schließlich auf guten Boden fällt, bringt Frucht. Ich habe gele­sen, dass das Gleichnis kaum übertreibt. Ein Samenkorn Roggen lässt etwa 40 neue wachsen, Wei­zen ca. 50 und Gerste bis zu 60 Kör­ner. Eine einzelne Reis­pflanze bringt sogar bis zu 3000 Reiskörner hervor.

Wir Christen dürfen als Menschen leben, die nicht ständig unter Er­folgsdruck stehen, sondern die auch mit dem Wenigen und trotz al­lem Frucht bringen. Erfolg ist kein Name Gottes. Auch bei größter Anstrengung wird es kaum einem Menschen je gelingen, für Gottes Wort immer offen und empfänglich zu sein. Aber immerhin: Wir ha­ben alle Ohren! Halten wir sie uns nicht zu!

Dann dürfen wir gut und gern vertrauen, dass Gott dennoch eine rei­che Ernte wachsen lässt. Roger Schutz, der Gründer der ökumeni­schen Gemeinschaft von Taizé, hatte recht, als er den Rat gab: „Ver­wirkliche das vom Evangelium, was du heute verstanden hast – und sei es noch so wenig.“ Bei Gott ist es nicht zu wenig. Er schenkt uns die reiche Ernte.

Das heutige Evangelium mag uns auch trösten und davor bewahr­en, ins Jammern zu verfallen. Sicher, in unserem Land nimmt die Zahl der Christen rapide ab: neuer Austrittsrekord im letzten Jahr... Längst gehören Sie zur Minderheit, die der Einladung des HERRN an Seinen Tisch des Wortes und des Sakramentes folgt. Jahr für Jahr suhlen wir uns in den erschreckenden Zahlen und haben so al­len Grund zur Klage. Eine Trendwende ist längst nicht in Sicht.

Jesus aber denkt offenbar nicht so. Er weiß, dass sein Wort von den Vö­geln – um im Bild des Gleichnisses zu bleiben – gefressen, von der Sonne versengt und von den Dornen erstickt wird. Er weiß aber auch, dass sein Wort immer wieder fruchtbaren, guten Boden findet. Er weiß, dass oft innerhalb der eigenen Fa­milie die­ser „Acker­boden“ sehr unterschiedlich beschaffen sein kann. Er weiß aber auch, dass die wenigen Samenkörner sehr reiche Frucht bringen können, wenn es guter Ackerboden ist, der sein Wort aufnimmt.

Trotz der desolaten Lage unserer Kirchen passiert es, dass Menschen neu beginnen, ihren Glauben zu leben. Es gibt noch immer Men­schen, die um die Taufe bitten. Aus welchen Gründen? Nicht, weil sie uns so toll finden. Oft sind es Ereignisse, die wir nicht „machen“ können. Gott scheint selbst im Spiel zu sein und auch heute im Spiel zu bleiben, dass Menschen ihrer Sehnsucht nach Mehr wieder Raum geben. Dann kann er sich finden lassen. Noch immer sät Jesus unverdrossen sein Wort aus.

In der Nachfolge Jesu werden auch wir zu Säh-Leuten. Wir sind nicht die Bauern, die das ganze Handwerk der Feldbestellung und des Düngens verstehen. Wir sind berufen, wie Christus zu säen. Er hat uns das wertvolle Saatgut anvertraut. Ich möchte es an mein Herz drücken, aber dann doch in weitem Bogen wieder loslassen. Nur so kann es ja Frucht bringen.  

Das ist unser Auftrag: Versuchen wir, guter Ackerboden für das Wort des HERRN zu sein. Strengen wir uns an mit aller Kraft, die wir ha­ben. Doch vertrauen wir noch viel mehr als auf unsere Anstren­gung auf das Wunder des HERRN, der nicht rationali­siert oder Erfolgsbi­lanzen schmiedet, sondern der noch im­mer im weiten Bogen sein Wort für uns und für alle Menschen unseres Landes aussät.

Vertrauen wir auf den HERRN, der bei uns und in seiner weltwei­ten, globalisierten Kirche auf wenig gutem Ackerboden eine reiche Ernte wachsen und gedeihen lässt – für uns und für alle!

Repetenten

von Christine Busta

Inder Schule des Lebens
sind wir meistens nur Repetenten.

Aberdie Sitzenbleiber
lernen allmählich
mehr verstehn als die Aufsteiger,
die nichts als wissen.

Aus: Christine Busta.Gedichte. Der Himmel im Kastanienbaum.
Otto Müller VerlagSalzburg 1989.

13

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July

2023

Weihetag der Kirche zum Heiligen Brunnen

Bruder Jeremias OSA

Einführung

+ Jesus Christus gibt uns zu trinken vom Wasser des Lebens. ER sei mit euch!

Tatsächlich wissen wir das genaue Datum, an dem diese Kirche geweiht wurde. Deshalb können wir heute Abend den Weihetag der Brunnenkirche feiern.

Sie wurde zur Sühne gestiftet, wegen des Hostienfrevels der beiden Diebe, die im 13. Jahrhundert den Inhalt des gestohlenen Ziboriums aus der Martinikirche auf dem Fischmarkt in die Gera hier im Fischersand geworfen hatten. Diese Geschichte erzählen die fünf Gemälde, die seit einigen Monaten nun wieder restauriert in der Brun­nenkirche hängen.  

Unsere Kirche wurde an der Stelle des „Heiligen Brun­nens“ gebaut, der angeblich schon in vorchristlicher Zeit ein Quell-Heiligtum war. So liegt auch die Vermutung na­he, dass an dieser Stelle Bonifatius Erfurt getauft hat.

Unsere Feier der Kirchweih ist also eine Erinnerung an die Taufe. Auch wir wurden eigetaucht in das Leben, das uns in Christus geschenkt ist. Aus dieser Sehnsucht nach dem Strom lebendigen Wassers sollen wir leben, uns er­neu­ern lassen, Kirche werden: Erwählte in Christus, Sein lebendiger Leib, Seine Hoffnung für diese Welt.

IHN, der uns in seine Kirche berufen hat, begrüßen wir: (Kyrie) 

Lesung aus dem Buch Genesis 29,1-20: Brautwerbung um Rahel am Brunnen

Jakob machte sich auf und zog ins Land der Söhne des Ostens.

Als er aufsah, siehe, da war ein Brunnen auf freiem Feld. Und siehe, da lagerten drei Herden von Schafen und Ziegen; denn aus dem Brunnen tränkte man die Herden. Ein großer Stein lag über der Brunnenöffnung. Wenn sich dort alle Herden eingefunden hatten, wälzte man den Stein von der Brunnenöffnung und tränkte das Vieh. Dann schob man den Stein wieder zurück an seinen Platz über der Brunnenöffnung.

Jakob fragte die Leute dort: Meine Brüder, woher seid ihr? Sie sagten: Wir sind aus Haran. Da sagte er zu ihnen: Kennt ihr Laban, den Sohn Nahors? Ja, wir kennen ihn, antworteten sie. Er fragte sie: Geht es ihm gut? Sie entgegneten: Ja, es geht ihm gut. Aber da kommt gerade seine Tochter Rahel mit den Schafen und Ziegen.

Da sagte er: Seht, es ist noch mitten am Tag und nicht die Zeit, das Vieh zusammenzutreiben. Tränkt doch die Schafe und Ziegen, dann geht und weidet weiter! Da sagten sie: Das können wir nicht, bevor nicht alle Herden sich eingefunden haben. Erst dann wird man den Stein von der Brunnenöffnung wegwälzen und die Schafe und Ziegen tränken.

Während er sich noch mit ihnen unterhielt, war Rahel mit den Schafen und Ziegen, die ihrem Vater gehörten, eingetroffen; denn sie war Hirtin. Als Jakob Rahel, die Tochter Labans, des Bruders seiner Mutter, und die Schafe und Ziegen Labans, des Bruders seiner Mutter, sah, trat er hinzu, wälzte den Stein von der Brunnenöffnung und tränkte die Schafe und Ziegen Labans, des Bruders seiner Mutter. Dann küsste Jakob Rahel, erhob seine Stimme und weinte. Jakob eröffnete Rahel, dass er ein Bruder ihres Vaters und der Sohn Rebekkas sei. Da lief sie weg und erzählte es ihrem Vater.

Als Laban die Nachricht von Jakob, dem Sohn seiner Schwester, hörte, lief er ihm entgegen; er umarmte und küsste ihn und führte ihn in sein Haus. Jakob erzählte Laban die ganze Geschichte. Da erwiderte ihm Laban: Du bist wirklich mein Bein und mein Fleisch.

Als Jakob etwa einen Monat bei ihm geblieben war, sagte Laban zu Jakob: Bist du nicht mein Bruder? Sollst du mir umsonst dienen? Sag mir, welchen Lohn du haben willst! Laban hatte zwei Töchter; die ältere hieß Lea, die jüngere Rahel. Die Augen Leas waren matt, Rahel aber war von schöner Gestalt und von schönem Aussehen. Jakob hatte Rahel lieb und so sagte er: Ich will dir um die jüngere Tochter Rahel sieben Jahre dienen. Laban entgegnete: Es ist besser, ich gebe sie dir als einem anderen. Bleib bei mir!

Jakob diente also um Rahel sieben Jahre. Weil er sie liebte, kamen sie ihm wie wenige Tage vor.

Antwortpsalm
+ Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes (7,37-39).

Am letzten Tag des Festes, dem großen Tag, stellte sich Jesus hin und rief: Wer Durst hat, komme zu mir und es trinke, wer an mich glaubt! Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen.

Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben; denn der Geist war noch nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war.

Predigt

Jakob ist ein betrogener Betrüger. Wir erinnern uns: Er hatte seinen Bruder Esau übers Ohr gehauen und mithilfe seiner Mutter Rebecca den blinden Vater Isaak getäuscht und den Segen des Erstgeborenen von ihm ergaunert. Die Reise nach Haran zu seinem Onkel Laban war also nicht nur ein Fahrt zu einem entfernt lebenden Teil der Familie, den man halt mal kennenlernen möchte. Es war auch eine Flucht, Hals über Kopf.

Ausgerechnet am Brunnen trifft Jakob, der Gauner, zum ersten Mal seine große Liebe, Rahel, die Schöne, in die er sich Hals über Kopf verliebt. Die Schreiber der Geschichte Jakobs belassen es aber nicht beim Beschreiben der attraktiven Vorzüge Rahels – eigentlich stellen sie ihre Schönheit ziemlich lapidar fest – sie betonen an einer Stelle, dass sie eine Hirtin sei.

Wir sind inzwischen schon etwas geübt. Immer wenn das Wort Hirte im Ersten Testament auftaucht, hat das einen Bezug zu der Beziehung zwischen dem Heiligen Volk und seinem göttlichen Hirten. Wenn also Rahel uns gleich zu Beginn als Hirtin vorgestellt wird, dann ist auch klar, dass sie die ist, die dafür bestimmt ist, an der Seite Jakobs zu leben. Sie bringt sozusagen die wichtigste Grundeigenschaft mit, die sie als Stammmutter braucht.

Auch Jakob ist ganz entschieden: Die oder keine! Das ist ihm sofort klar. Er ist bereit, seinem Onkel um Rahel ganze sieben Jahre lang zu dienen.Und die Bibel sagt den schönen Satz: „Weil er sie liebte, kamen sie ihm wie wenige Tage vor.“ Das schafft nur die Liebe.

Die Bibelfesten unter uns wissen freilich, dass die Geschichte nicht so glatt läuft. Jakob wird von seinem Onkel betrogen. Nach der Brautnacht muss er feststellen, dass ihm die ältere Schwester untergeschoben wurde, Lea, um die er gar nicht geworben hatte.

Lassen wir – auch wenn es schwer fällt – beiseite, dass hier Männer unter sich ausmachen, welche Frau wofür bestimmt ist. Das ist für uns völlig inakzeptabel. Wie es Lea wohl ergeht, wenn sie immer nur die Häßliche und die Zurückgesetzte ist? Danach wird auch nicht gefragt. Furchtbar.

Aber es gibt in dier Erzählung doch so einiges, was vielleicht auch unsere Erfahrungswelt berührt. Jakob prescht in einer Haltung ins Leben, als müssten alle zur Seite springen, wenn er kommt. Er ist ziemlich rücksichtslos, der Liebling seiner Mutter, und er macht sich keine großen Gedanken über Recht und Unrecht.

Am Brunnen scheint schon wieder alles bestens zu Laufen. Kaum sitzt er da und schwatzt mit den Hirten, da kommt schon seine Schöne daher, und jetzt schnell geheiratet. In diesem Tempo könnte es weitergehen.

Der Brunnen, der Ort des Lebens und der Zukunft, die verheißungsvoll vor einem liegt, der Ort der Brautwerbung und aller Sehnsucht nach Glück und einem gelungenen Leben… Sehnsucht nach Leben! Wasser des Lebens, Leben…

Doch diese Sehnsucht wird nicht gerade billig erfüllt. Unsere Träume liegen zwar obenauf, aber ihre Erfüllung kostet oft harte Arbeit. Sieben Jahre muss Jakob hart arbeiten, als Schafhirte draußen in Wüste und Steppe, unter der heißen Sonne und in kalten Nächten, allein mit seiner großen Sehnsucht.

Wir sehnen uns nach dem erfüllten Leben – und wir kommen mit dieser Sehnsucht hierher zum Brunnen. Aber das hier ist kein Schnellimbiss. Das Brot, das uns hier gereicht wird, ist ein hartes Brot. Es bedeutet Arbeit und Mühe zu leben. Heute in dieser Welt zu leben.

Und doch hält der (verborgene) Brunnen unsere Sehnsucht wach. Wir kommen immer wieder hierher. Und wenn die anderen da sind, dann kann es geschehen, dass wir einander den Brunnen aufdecken, damit alle trinken können: von der Musik, die hier erklingt, vom Wort, das uns zugesprochen wird, vom Sakrament, das uns gereicht und eingeschenkt wird, vom Ringen um wichtige Fragen, von der guten Geste, die uns jemand schenkt ein Lächeln oder ein Satz, der uns nährt für den Weg, den wir noch gehen müssen. Sieben lange Jahre in der Sehnsucht – und doch nicht ohne Speis und Trank.

Vielleicht ist es aber auch anders. Wir starteten einst in unser Leben voll Sehnsucht, dass es uns zu Füßen liege und wir schier alles erreichen, wenn wir es nur wollen. Dieser Tage kann man das wieder aller Orten hören, wenn Schulabschlüsse gefeiert werden.

Mir geht es inzwischen so, dass mir da oft richtig schlecht wird. Ich fürchte, wir lügen den jungen Menschen etwas vor, wenn wir mit einstimmen. Wesentlicher ist für mich, je älter ich werde, dass ich die Sehnsucht Gottes spüren darf. Und besonders spüre ich sie hier an diesem Ort. „Die Sehnsucht Gottes ist der lebendige Mensch“, so hat es Augustinus einmal formuliert.

Jesus sitzt am Brunnen. Er wartet auf uns. Er hat seine Tiefe geöffnet, um uns zu tränken mit seinem lebendigen Wasser. Wie die Frau am Jakobsbrunnen werden wir hier mit unserem Leben konfrontiert – gerade auch durch die Heilige Schrift. Aber wir rennen nicht gleich fort, sondern sind fasziniert: Ich werde erkannt von dem, der da am Brunnen sitzt und uns anspricht. Und das ist nicht mehr unangenehm, sondern wunderschön. Jesus kennt mich und liebt mich trotzdem. Er hat eine Hoffnung über das hinaus, was ich ersehnen und mit wünschen kann. Er lockt mich und uns mit seinem Leben. Er ist der Bräutigam…

Kommt und trinkt an seiner Quelle! „Wer Durst hat, komme zu mir und es trinke, wer an mich glaubt! Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen.“ Kommt und trinkt! Bringt auch die mit, die dürsten nach dem Leben. Christus sitzt am verborgenen Brunnen. Er hat ihn für uns geöffnet! Amen.

8

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July

2023

Unterm Joch - quicklebendig! Moonlightmass mit Jazz in der Brunnenkirche

Bruder Jeremias OSA

Einführung (Nicole)

"Mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht", sagt Jesus. Wie ist das eigentlich möglich? Wie kann eine Last leicht sein und ein Joch sanft?

Ich vermute, Sie alle wissen, was ein Joch ist. Es ist dieser schwere Holzbalken, den sich jemand über die Schulter legt, um etwa zwei Eimer Wasser besser als in der Hand tragen zu können. Ein Joch ist ebenso für ein oder zwei Tiere gedacht, vielleicht Ochsen, damit große Lasten, ein Wagen oder ein Pflug, gezogen werden können.

Jesus sagt, dass seine Last leicht sei. Er hat ein sanftes Joch… Kann das sein? Unser Leben ist oft alles andere als leicht...

Unsere Erfahrung lehrt uns: Das Leben, das wirklich etwas von uns will und das uns mit Aufgaben und Herausforderungen begegnet, die wir nur schwer erfüllen können, so dass wir alle Kräfte mobilisieren müssen - ein solches Leben ist andererseits auch besonders lebendig und intensiv - und wohl auch sinnvoller und tiefer, als das leichte, sorglose Leben, wo es keine Rolle spielt, ob wir da sind oder nicht.

Das Dasein kann unerträglich leicht sein. - Das Joch zu tragen kann dagegen sehr anstrengend sein…

Willkommen zur Moonlightmass mit Jazz! Heute spielt für uns Ulrich Thiem auf dem Cello. Seine Musik hilft uns über Jesu Wort nachzudenken.

Stellen wir uns gemeinsam unter den Namen Gottes:

+ Der HERR, dessen Last leicht ist und dessen Joch nicht drückt, sei mit euch!

Impuls I (nach dem Evangelium; Nicole)

Ich bin am Bild des Jochs hängen geblieben. Nicht ohne Grund spricht man davon, Menschen zu unterjochen, wenn man Ihnen eine große Last auferlegt und sie so fest einspannt, dass sie kaum mehr Freiheit haben.

Und das Bild vom Joch macht mir Schwierigkeiten, wenn Jesus zu uns sagt: Nehmt auf euch mein Joch. So wie ich mir Gott und Jesus vorstelle, passt das nicht zu meinem Bild von einem Joch. Ich möchte nicht UNTERJOCHT werden. 

Ich versuche, Evangelium und Joch zusammen zu bringen. Die Last die Christus uns abnehmen will und die Last, die wir in der Nachfolge annehmen sollen. Vie­les belastet uns in unserem Leben schwer, drückt nieder, erdrückt vielleicht sogar.

* physische und psychische Krankheiten und Gebrechen, die uns die Freude am Leben nehmen;

* der Abschied von einem Menschen, mit dem auch ein Stück von uns stirbt;  

* vergiftete Konflikte in den Familien oder im Beruf;  

* oder viele andere, belastende Situationen, welchen Namen sie auch immer tra­gen mögen. 

Bei all solchen Lasten steht Gott uns bei. Er hilft uns tragen, was uns zu schwer ist. Er will uns neue Kraft und Lebensmut geben. Wie bei einer langen Wande­rung: den schweren Rucksack für einen Moment vom Rücken nehmen, atmen und sich ERHOLEN.

Aber natürlich gibt es Lasten, die so schwer und so massiv sind, dass sie den Bo­den unter uns wegreißen und wir den Mut zu verlieren drohen. Es gibt Lasten, die wir niemandem wünschen. Lassen wir uns in eine rechte Beziehung zu diesen Lasten bringen.

Und wenn ich alle meine Kräfte darauf verwende, mich von der Last zu befreien, Schuld abzulegen oder den Schwierigkeiten.… - ja dann zeigt sich in der Regel, dass die Last, die Trauer, oder die Schuld mich dennoch einholt und noch schwe­rer zu tragen ist als zuvor.

Christus lädt uns ein, die Last auf ihn zu werfen. Er hilft tragen. Er schenkt uns selbst im Leiden ein Leichtigkeit und Freude, die nicht mehr nur aus uns allein kommt. So können wir – trotz allem - mit diesem wunderbar bewegten und oft so schwierigem Leben ringen, ohne zu zerbrechen.

Nehmt auf euch mein Joch, sagt Jesus, so werdet ihr RUHE finden für eure See­len. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.

Das Joch der Liebe ist zugleich schwer und sanft. Wenn wir uns selbst voll geben, dann erfahren wir nur den Schmerz und die tiefe FREUDE. Die gute RUHE ist nicht der Freiplatz außerhalb dieses Lebens, sondern da wo wir das Leben mitein­ander und mit Gott leben!

Impuls: Dialog zwischen Hieronymus und Jeremias (Stichpunkte)

H: Wieso preist Jesus den Vater, weil er etwas den Weisen und Klugen verborgen und den Unmündigen geoffenbart hat. Was ist damit gemeint. Ich fand das immer gut klug und weise zu sein.

Jer: Gott kann man nicht wirklich verstehen; die Klugen denken, sie können alles lösen.

H: Jesus und der Vater haben also eine besondere Beziehung. Da ich weder Vater noch Sohn bin, muss ich hoffen, das Jesus mir Gott offenbart. Ist nicht Offenbarung auch eine Art Wissen?

Jer: Ja, aber ein Wissen des Herzens, das für die Vernunft nicht erreichbar ist

H: Wir müssen also auf Gott vertrauen. Unser Joch unseren Alltag können wir nicht abschütteln

Jer: Von Jesus lernen, er ist gütig, demütig und  bringt uns Ruhe für die Seele

H: Mein Joch und dann doch sein Joch. „iugum“ heißt das Joch im Lateinischen für Ehe - „coniugium“ bedeutet dann unter einem Joch vereint. Kannst Du mir das mal erklären?

Jer: Ochsengespann - gemeinsam einen Rhythmus finden...

H: Mit Erquickung kann ich nichts anfangen, was bedeutet das?

Jer: Erquickung erklären, wenn uns Gott trägt, dann wird das Joch sanft und die Last leicht: quicklebendig sagen wir...

Ge­danken, die weiter­führen (Nicole)

„Ich bin gütig und von Herzen demütig.“

Einem Menschen, der sich so beschreibt, mag ich mich anvertrauen. Zu ihm mag ich kommen, mit ihm mag ich gehen. Ein im Herzen demütiger Mensch hilf mir, das Leben mit all dem annehmen zu können, was es mit sich bringt. Gerade dann, wenn ich unter der Last zu zerbrechen drohe. Ein sanfter, gütiger Mensch ist ein Hort, wo ich Ruhe finde und erquickt werde – quicklebendig. Zufriedenheit breitet sich in seiner Nähe aus, die mich nach und nach erfüllt und meinen Geist neu ausrichtet. Geborgenheit und Dankbarkeit stärken mich, die kommenden Aufgaben zu meistern.

Seelenruhe bedarf der Erkenntnis: Wir werden von ihr gefunden. Es sind Momente, in denen ich ganz in mir bleibe und zugleich nicht auf mich fokussiert bin. Es wächst ein Friede, eine Ruhe im Innersten, die nicht aus mir kommt, die nicht machbar und auch nicht festzuhalten ist.

Seelenruhe gräbt sich tief in die Seele ein und bleibt in der Erinnerung verfügbar. Wenn Rastlosigkeit und Ärger über das erlittene Schicksal zu mächtig sind, bleibt sie im Verborgenen. Doch sie offenbart sich, wenn wir den Blick von uns weg auf den barmherzigen Gott richten und demütig im Herzen sind.

Sie nimmt die Last nicht weg und das Joch nicht ab, aber sie hilft, all das auszuhalten und anzunehmen. Sie lehrt, sich an Gutem zu erfreuen und stellt das Erlebte in den Lebenshorizont des Himmels.

Seelenruhe findet und offenbart sich allen Menschen, die sich in der Nähe des sanftmütigen Gottessohnes begeben und sich auf ihn einlassen. Keiner kann oder muss sie sich verdienen. Sie wird uns zuteil, wenn uns die Kraft ausgeht, wenn wir nicht mehr wissen, wie es gehen kann, wenn wir der Hilfe bedürfen und wenn wir uns öffnen für Gott.

Jesus Christus, sanft und demütig im Herzen, du weist uns den Weg. Im Vertrauen auf dich finden unsere Seelen Ruhe. In dir begegen wir Gottes unendlicher Liebe. Die Last wird leicht unter deinem sanften Joch.