Wir haben mit heißer Nadel ein kleines Video gestrickt. Es ist gedacht für ein Kinderprojekt des Bistums Erfurt, das es Kindern und Jugendlichen ermöglichen soll, einen kleinen Einblick in klösterliches Leben zu gewinnen. Anders als im Video gesagt ist es aber nicht so, dass wir diejenigen, die mit uns beten, nur als „Gäste“ betrachten. Es ist vielmehr so, dass wir im gemeinsamen Gebet erfahren, dass wir uns gegenseitig tragen. Also bitte nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen! Die mäßige Formulierung ist der Eile geschuldet und dem Versuch, nicht zu kompliziert zu sprechen...
„Wie kann Jesus uns sein Fleisch zu essen geben?“ (Joh 6,52) Das große Angebot Gottes führt zu Missverständnis und Streit unter den Zeitgenossen Jesu. Aber auch seinen Jüngern kann ER es kaum verständlich machen. Hätten wir weitergelesen, über den eben gehörten Abschnitt hinaus, wüssten wir, dass Jesus bei weitem nicht bei allen seinen Jüngern Erfolg hatte. Im Gegenteil äußern sich etliche: „Was er sagt ist unerträglich. Wer kann das anhören?“(Joh 6,60) – Wäre es / ist es heute bei uns anders?!
Es ist also ein Geheimnis, das nicht so leicht zu verstehen ist; wie der gesamte Festinhalt "Fronleichnam“ es uns nicht gerade leicht macht. Jörg Splett hat einmal erklärt, dass die Vorsilbe „Ge“ im Deutschen auf ein Gesamt verweist, also etwa „Ge-birge“ als das Gesamt der Berge. So gesehen wäre ein „Ge-heim-nis“ nichts Fremdes, sondern im Gegenteil das Gesamt dessen, was mich heimisch sein lässt, wo ich daheim bin. – Behalten wir das im Herzen, wenn wir uns dem Wort Jesu nun weiter nähern.
Im Griechischen Urtext steht bei Johannes für „Fleisch“ das Wort „Sarx“. Es ist dasselbe Wort, das wir am Weihnachtstag im Prolog dieses Evangelisten hörten: Das WORT (logos) ist FLEISCH (sarx) geworden und hat unter uns gewohnt. Sarx meint mehr als den Leib allein (das wäre soma). Es ist eher die Leib-Geist-Seele-Einheit gemeint, die im Judentum nicht auseinander zu nehmen ist.
Dann aber bietet Jesus uns nichts weniger an, als ganz eins zu werden mit IHM und dem Vater: Unser GOTT und HERR will sozusagen unseren Leib (soma) beseelen und mit Hl. Geist durchdringen. Das wäre wie eine Neuschöpfung, in der die Sünde als Abkehr von Gott, der die Liebe ist, schlechthin undenkbar wäre.
Jetzt spüre ich ein Zittern. Das Angebot ist ein Fascinosum: reizvoll und erstrebenswert, ohne Zweifel. Zugleich lässt es mich zittern, ist ein Tremendum, weil ich die Kontrolle über mich nur ungern abgebe. Wo käme ich denn hin, wenn Gott mein Leben verändern und ganz bestimmen könnte? Will ich das wirklich?
Noch einmal bringt Jesus selbst es auf den Punkt: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm. Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich isst, durch mich leben“ (Joh 6,56f). Der lebendige Gott, der zugleich Vater für mich ist, will das Leben nicht für sich allein. Er will es mit mir teilen, mir mitteilen. – Noch einmal: Will ich das wirklich?
Johannes macht es uns selten leicht. Sein Evangelium hat eine theologische Dichte, die auf den ersten Blick vielleicht sogar abschreckt. Diese Dichte ist entstanden, weil die Gemeinde des Johannes verfolgt wurde und nur mühsam ihren Platz behauptete. Da muss man in die Tiefe schürfen, um den Schatz des Glaubens zu bewahren und den Boden zu finden, der wirklich trägt.
Uns mag es relativ gut gehen, wenn uns nicht gerade eine tiefe Krise herausfordert. In jedem Fall aber ist das Johannes-Evangelium eine Einladung, ebenfalls tiefer zu schürfen. Die Mühe lohnt sich!
Auffällig ist, dass Johannes uns trotz seiner geistlichen Höhenflüge stets auf den Boden der Realität zurückbringt. Vor der Passion etwa überliefert er nicht die „Einsetzungsworte“ der Eucharistie, die Jesus beim Abendmahl benutzt hat. Johannes legt den Akzent auf die Wirkung, die dieses Gedächtnismahl bei den Jüngern haben muss: Jesus wäscht allen die Füße, ER, der HERR, den Seinen. „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe“ (Joh 13,5). Die Wirkung des Abendmahles muss also sein, dass wir einander dienen – in völliger Aufhebung des Status-Gebarens „Wer hat hier das Sagen?“ HERR ist Christus, niemand sonst.
Auch an dieser Stelle geht es um die Wirkung: Christi Fleisch und Blut werden uns geschenkt, und wir erinnern uns daran in der Feier des Abendmahles bzw. der Eucharistie. Wir erinnern uns aber nicht nur, sondern sind eingeladen, wirklich Fleisch und Blut Christi zu essen und (abseits von Corona) auch zu trinken – damit wirklich geschehe, was der Priester bei der Wandlung sagt und dabei im Idealfall die konkret am Altar versammelte Gemeinde ansieht: „Das ist mein Leib, der für euch dahingegeben wird!“
Das muss nun in der Tat tremendum fascinans und fascinosum tremens sein: Wollen wir das wirklich? Wenn wir die Kommunion empfangen, willigen wir ein: Ja, DU HERR, sollst mein Leben bestimmen, mir den neuen Lebensatem einhauchen – wie du mich schon in der Taufe zur neuen Schöpfung gemacht hast.
Dieses JA können wir eigentlich nur in der Gemeinschaft der Gläubigen sagen, wissend, dass wir hinfällig sind und trotz noch so guter Vorsätze und Schwüre doch wieder fallen werden und dem Anspruch unseres Christseins nur halb genügen.
Doch stets bekommen wir von Neuem die Zusage geschenkt: „Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich isst, durch mich leben“ (Joh 6,57). Der lebendige Vater gibt durch den Sohn SEIN Leben an uns weiter. Wir werden als Gemeinschaft derer, die sich um den Altar versammeln, zum lebendigen Leib Christi. Damit nehmen wir, trotz der Fehler und bleibenden Makel, zugleich den Auftrag an, allen Menschen dieser Erde zu dienen; denn auch Christus wurde zum Diener aller. Konfessionsgrenzen spielen unter Getauften dann schon heute keine Rolle mehr, wenn wir uns bewusst sind, worauf Kommunion wirk-lich abzielt!
Vor Jahrzehnten verfasste LotharZenetti (+ 2019) folgende Zeilen:
„Inkonsequent“
„Frag hundert Katholiken, was das Wichtigste ist in der Kirche.
Sie werden antworten: Die Messe.
Frag hundert Katholiken, was das Wichtigste ist in der Messe.
Sie werden antworten: Die Wandlung.
Sag hundert Katholiken, dass das Wichtigste in der Kirche die Wandlung ist. Sie werden empört sein:
Nein, alles soll bleiben wie es ist.“
+ Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus, die Liebe Gottes, des Vaters und die Gemeinschaft des Hl. Geistes sei mit euch!
Immer beginnen wir den Gottesdienst, indem wir uns mit dem Kreuz bezeichnen. Wir stellen uns in die Gegenwart des dreifaltigen Gottes. Gott ist für uns ein undurchdringbares Geheimnis – und Gott ist uns zugleich unfassbar nahe als Vater, als unser Bruder, als Geist, der uns leben lässt. Dieses Geheimnis feiern wir jetzt: unfassbar und doch so nahe ist uns Gott, wenn wir die Gegenwart Christi hier in unserer Mitte in seinem Wort und in Brot und Wein feiern. - Lassenwir uns von seiner unfassbaren Gegenwart erfüllen!
Die meisten von Ihnen kennen sicher die Legende, die vom Kirchenlehrer (meinem Ordensvater) Augustinus erzählt. Er hat unter anderem ein dickes Werk über die Dreifaltigkeit (De Trinitate) verfasst. Über dieses komplexe Thema sinnierend sei er spazieren gegangen am Strand seiner Bischofsstadt Hippo Regius, dem heutigen Annaba in Algerien.
Da sieht er an der Wasserlinie einen kleinen Jungen sitzen. Der hat einen Löffel in der Hand, mit dem er Wasser aus dem Meer in eine kleine Kuhle im Sand löffelt. „Was tust du denn da?“, fragt Augustinus das Kind. – „Ich löffle das Meer in die Grube!“, strahlt ihn der Kleine an. – „Oje, das wirst du niemals schaffen!“, schüttelt der Bischof den Kopf. „Stimmt!“, antwortet schlagfertig der Knabe. „Genauso wenig wie du das Geheimnis der Dreifaltigkeit je wirst ergründen können.“
Natürlich hat Augustinus es trotzdem versucht. Sein Buch wurde sogar fertig: nach 17, vielleicht auch erst nach 28 Jahren. Es enthält, was man wohl von einem Kirchenlehrer erwarten darf: eine breite, biblisch fundierte Darlegung, warum Gott drei Personen, aber dennoch Einer sei. Der alte Vorwurf der Muslime, Christen verehrten letztlich drei Götter, verfängt nicht. Dass die Dreieinigkeit leicht zu denken geht, kann niemand behaupten. So oder so bleibt Gott das große Geheimnis, das unser kleiner Verstand nie fassen kann – wie die Kuhle im Strand das Meer nie fassen wird.
Also: Mit Wissen und Definitionen kommen wir Gott nicht bei. Nein, es nützt nichts, auch wenn einer meinte, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, so wird doch sein Löffel zu klein sein. Es braucht einen weiteren Ansatz der Annäherung an das Geheimnis, indem Beziehung und Wirkung in Betracht kommen.
Im jüngsten Gemeindebrief der Ev. Reglergemeinde durfte ich einen Artikel zum Fest Trinitatis beitragen. Ich berichte von drei gotischen Schlusssteinen bzw. einem berühmten Fenster im Domkreuzgang zu Paderborn. Ein alter Kinderreim beschreibt das dortige „Hasenfenster“: „Drei Hasen und der Löffel drei und doch hat jeder Hase zwei!“ In der Mitte bilden die Ohren ein gleichseitiges Dreieck – wie die Hasen selber ein Sinnbild des dreifaltigen Gottes. Umgeben sind die Tiere von einem Kreis, dem Symbol der Ewigkeit.
Die drei Hasen treiben miteinander ein lustiges Spiel und springen einen fröhlichen Tanz. Schon in der Antike und bei den Kirchenvätern sind die Häschen Sinnbild von Lebendigkeit und Fruchtbarkeit, von Wachsamkeit - ein Hase hat keine Augenlider, schläft also mit offenen, "wachen" Augen - von Schöpfung und Verwandlung. Jedes Häschen ist Individuum und hat doch teil am anderen, lebendig und vollkommen sind sie vor allem als Gemeinschaftswesen. So ist es mit dem dreifaltigen Gott und so ist es mit den Menschen. Hoffentlich spüren wir immer wieder, dass diese Verbindung mit Gott uns Freude und Dynamik bringt, Wachsamkeit, Lebendigkeit und (geistliche) Fruchtbarkeit. – Die Beschreibung der anderenSchlusssteine können Sie ja gelegentlich selber im Gemeindebrief nachlesen.
Der Begriff „Dynamik“, der einem unwillkürlich beim Betrachten der Bilder in den Sinn kommt, führt uns zu einem Schlüsselbegriff der griechischen Bibel. „Dynamis“ beschreibt die Kraft Gottes, den Heiligen Geist, in dem Jesus handelt und seine Botschaft verkündet. Diese dynamis sendet er über die Seinen, also über alle, die an ihn glauben – die sich in der Liebe Gottes geborgen wissen. Sie ist die Kraft des Heiligen Geistes, der die Gemeinde in Bewegung setzt und bei uns bleibt bis ans Ende der Tage (vgl. Mt 28, 20). Dieser Heilige „Dynamik-Geist“ gestaltet unser Leben aus der Liebe Gottes heraus. Er ist gestalterischer, bewegender Geist (hebr.: „Ruach HaKodesch“): „Ihr werdet die Kraft (dynamis) des Hl. Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,18).
Ganz in dieser liebevollen, überfließenden Dynamik des Göttlichen erkannte offenbar Jesus von Nazareth seine Mission. Das Evangelium des heutigen Tages hat uns in das 3. Kapitel des Johannes-Evangeliums geführt. Schon so früh sucht Nikodemus, Mitglied des Hohenrates, nachts das Gespräch mit dem Rabbi aus Galiläa. Doch statt eine klare Definition seiner Botschaft und seines Gottesbildes zu geben, formuliert Jesus ein „Glaubensbekenntnis“: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit jeder, der an ihn glaubt, ... ewiges Leben hat.“ (Joh 3,16)
„Gott ist die Liebe“, wird der Evangelist Johannes ständig wiederholen. Liebe ist Gottes Antrieb, seine Dynamis, sein ganzes Wesen. Dadurch aber definiert sich Glaube neu. Glaube ist ein sich Einlassen auf Gottes Liebe, ein Annehmen dieser Liebe, ist bewusst aus dieser Liebe leben dürfen. Hier wird deutlich, dass Glaube nicht nur ein „für wahr Halten“ ist. Im Glauben wird vielmehr eine Dynamik frei gesetzt, die eine Beziehung nährt und aus ihr heraus zur Tat wird. Einfacher gesagt: Wer sich von Gott geliebt weiß, der/die will diese Liebe beantworten: Er/Sie wird Gott lieben und durch Gott auch den Nächsten. Liebe bleibt nicht nur ein angenehmes Gefühl; sie wird vielmehr zur konkreten Tat.
Weraber ist dieser Gott? Kann man sich denn überhaupt auf IHN einlassen – falls es IHN denn gibt? – Es ist hier wie in jeder Beziehung, die wir Menschen leben. Ich kann jemand nicht kennen lernen, wenn ich mich nicht auf eine Beziehung zu ihm oder zu ihr einlasse. Ich kann nicht alles theoretisch klären und erst dann in Beziehung treten, wenn alles klar ist. So funktioniert das nicht. Es braucht den Sprung ins Ungewisse. In der Distanz kann sich nichts klären, nur im Kontakt mit dem anderen. Das setzt dann die Dynamik in Gang, die spielerisch und spannend ist und den Reiz von Beziehungen überhaupt erst ausmacht.
Das gilt auch in unserer Beziehung zu Gott. Zu glauben ist ein Wagnis. Es lohnt sich aber, wie sich jede Beziehung, die wir aufbauen, grundsätzlich lohnt, weil wir sonst immer allein bleiben würden. Nichtglauben können ist für viele Menschen ein nicht in Beziehung gehen wollen zu diesem unbekannten Gott, auf den man dann schlechterdings sogar Misstrauen projiziert. Dabei gibt ER alles! ER nimmt uns nichts (vgl. Benedikt XVI)!
Gott ist die Liebe. Man spürt die Liebe erst, wenn man sich ihr öffnet. Man kann auch Gott erst spüren, wenn man sich IHM öffnet: Seiner Dynamis!
Augustinus hat mit dem kleinen Löffel Verstand vom Geheimnis des Dreifaltigen Gottes geschöpft. Mit zunehmender Beschäftigung hatte er sozusagen spielerisch seine „helle Freude“, die Dreier-Dynamik auch in unserem Alltag zu entdecken. Ein paar Beispiele - nicht nur von Augustinus, und gerne auch zum weiter denken: Der Dreibein wackelt nicht und die „dreifache Schnur“ hält besonders gut (vgl. Kohelet 4,12). Die Beziehung von Mann und Frau weitet sich und bekommt eine neue Tiefe durch ein Kind. Das ICH wird am DU (Martin Buber) und findet seinen Sinn im WIR. Die Liebe zu Gott finde ich in der Liebe zum Nächsten – und auch andersherum! Leben ereignet sich in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – immer mit dem Bezugspunkt zu Gott und dem Nächsten bzw. der Gemeinschaft der ganzen Menschheit. Dieses aufeinander Bezogensein führt nicht weg vom ICH. Ganz im Gegenteil: Es führt mich in die eigene Tiefe, ohne mich abzuschotten.
Der dreifaltig-eine Gott ist Dynamik, ist Beziehung in sich, ist Liebe, die sich verströmt für uns: Wir bekommen Anteil an dieser göttlichen Dynamik: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.“ (Joh 3,16) Amen.
Auch heute hat wieder Br. Pius das Mittagsgebet in der Reglerkirche gestaltet.
Der neue Gemeindebrief von Regler greift das Dreifaltigkeitsfest (Trinitatis) auf. Auch Br. Jeremias ist Autor in dieser Ausgabe. Hier der Link zur Homepage der Reglergemeinde, mit dem der Gemeindebrief digital heruntergeladen werden kann: