Musik: P. Pius Wegscheid OSA; Zelebrant | Schnitt: Br. Jeremias Kiesl OSA
Fotos: Steffi Krause, Br. Jeremias, freie Fotos -> Regler-Altar, Augustinerkirche zu Tolentino, Hans Süß von Kulmbach (16. Jhd.), ukrainische Ikone, Buchmalerei Westfalen (um 1360) u.a.
"Durch Christus werden wir hinaufgezogen vor Gottes Herz."
So fasst Martin Luther die Botschaft von Himmelfahrt zusammen. Für ihn ist Himmelfahrt ein zentrales Ereignis im christlichen Jahresfestkreis. Mir wollte bisher scheinen, es sei irgendwie nebensächlich. Die Lücke zwischen der Auferstehung an Ostern und der Geburt der Kirche mit der Herabsendung des Heiligen Geistes muss geschlossen werden – das geschieht zu Himmelfahrt.
Aber Luther verweist auf eine ganz zentrale Botschaft: „Durch Christus werden wir hinaufgezogen vor Gottes Herz“: Christus nimmt uns mit. Auch wenn die Jünger zurückbleiben und das Nachsehen haben, wie ihr Meisterin einer Wolke ihren Augen entschwindet.
Martin Luther setzt die christliche Heilsgeschichte in eine heitere Bilderwelt um. Siebeginnt mit dem leeren Himmel zu Weihnachten:
Da gab es einen Mann, der alles dafür tat, in den Himmel zu kommen: „So stieg er mit der Stufenleiter der Vollkommenheit immer höher empor, bis er eines Tages mit seinem Haupte in den Himmel ragte. Aber er war sehr enttäuscht: Der Himmel war dunkel, leer und kalt. Denn Gott lag auf Erden in einer Krippe.“1
Von Anbeginn versuchten Menschen in den Himmel zu gelangen: In der alten Welt stellte man sich den Ort Gottes räumlich über dem Firmament mit den Sternen vor, als einen Raum über dem sichtbaren Himmel. Diese Vorstellung ist überholt, aber wir verwenden ja auch immer Bildsprache, wenn wir von Gott sprechen und versuchen uns damit, seinem Geheimnis zu nähern. So sagen wir, dass der Mensch sich aufrichten muss, seinen Geist emporrichten, um Gott näher zu kommen.
Von Anbeginn wollten Menschen lieber selbst Gott sein, statt Gott Gott sein zu lassen. Deshalb bauten sie den Turm zu Babel. Heute versuchen Menschen auf alle erdenkliche Weise den Himmel zu stürmen, bis zur völligen Erschöpfung die Karriereleiter emporzuklimmen, ihre Bedeutung himmelhoch aufzublähen, möglichst viele Andere unter sich zu haben, um sie zu beherrschen. Doch je höher sie gelangen, um so dünner wird die Luft und schließlich landen sie in der Leere, im Nichts.
Denn: Der Himmel ist leer. Gott begab sich nach ganz unten, mit der Passion und seinem Sterben noch mehr in die Tiefe. Wir sprechen im Glaubensbekenntnis: Er ist hinabgestiegen in das Reich des Todes. Egal, wie tief ein Mensch fällt: Gott ist immer noch unter ihm.
Manche von Ihnen kennen die Darstellungen der Höllenfahrt Jesu in den Bildern der Orthodoxen Kirche: Der Gekreuzigte steigt in die Tiefe, um Adam und Eva, und damit alle Menschen aus der Finsternis hinauf in die Höhe zu reißen.
Zu Himmelfahrt kehrt Christus zu Gott zurück. Jetzt ist der Himmel nicht mehr leer. Mit Christus ist der Mensch in den Himmel aufgenommen
Luther2nimmt unsere Geschichte ganz wörtlich:
„Da ist einmal das Wunderwerk zu bedenken, daß der Herr in so wunderbarer Weise von seinen Jüngern in die Höhe auffährt, wie ein Vogel, und verschwindet in den Lüften, das ist, er fährt so hoch, daß seine Jünger ihn nicht mehr sehen können. Denn in den Lüftenfahren ist den Menschen ein ungewöhnliches, ja, unmögliches Ding. Der Leib eines Menschen hat von Natur die Art, wie ein Stein oder ein anderes schweres Ding.“
Als ich das zum ersten Mal las, dachte ich: Nun ja, Luther war eben noch wundergläubiger als wir heute. Damals glaubte man noch an eine leibliche Auferstehung – Was aber, wenn uns die Himmelfahrts-Geschichte gerade das am allerwenigsten Denk- und Vorstellbare vor Augen führt? Dass wir als diejenigen, die wir sind, von unserer Schwere erlöst werden – von unserer leiblichen, unserer Seelen- und Gedankenschwere? Wir leben ja in einer in vielerlei Hinsicht schweren Zeit: auch unsere Krankheiten sind Krankheiten der Schwere: Die Schwermut, die niedergedrückte Seele, unser im wörtlichen und übertragenen Sinne schwere Leib: „Bruder Esel“ nannte ihn Luther, störrisch und leider uns nicht zu Willen; schließlich unsere schweren Gedanken, mit denen wir uns verstricken und verheddern, je mehr wir nach einem Ausweg suchen.
Gestern sprachen wir im Bibelgespräch über die Himmelfahrts-Darstellung auf unserem Regleraltar und trugen einige schöne Ideen dazu zusammen. Ich lade Sie ein, sich nach diesem Gottesdienst die Tafel am Regleraltar genau zu betrachten.
Wir sehen die Jünger mit Maria zu Füßen des davonschwebenden Christus. Wie es Lukas berichtet, segnet Jesus die Seinen, sie knieen und beten ihn an. Wir sehen seine Wundmale. Auf dem Stein unter Jesu Füßen sind seine Fußabdrücke tief eingeprägt. Auch Jesus hatte Erdenschwere, er hinterließ Spuren, er war Mensch wie wir. Lutherbeschreibt das ganz naturalistisch:
„Nun hat aber Christus nach seiner Auferstehung einen rechten Leib, der Fleisch und Bein hat, …. und sich greifen läßt; und dennoch ist es ein solcher Leib, der …in die Höhe kann. …: Den hindert der Stein am Grabe nicht; die verschlossene Tür auch nicht, er wischt in einem Augenblick hindurch, daß wir nicht wissen können, wie er dahindurch kommt.“
Zwei Blickrichtungen werden uns gewiesen: Mit Christus hinauf zu Gott –und dann doch zurück, zu seinen Fußabdrücken, den greifbaren Spuren seines Wirkens. Sie erteilen uns einen Auftrag.
Im1. Petrusbrief wird auf die Fußabdrücke verwiesen, als Mahnung an uns, in der Nachfolge Jesu zu bleiben: „Denn dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen“ (1 Petr 2,21 - vestigia Christi sequi - so lautet der bischöfliche Wahlsprich unseres Bischofs em. Joachim Wanke).
Himmelfahrt ist also nicht einfach nur eine Wundergeschichte. Sie beschreibt den Abschied für diejenigen, die bis dahin ihren Meister in unmittelbarer Nähe wussten – auch in den 40 Tagen nach Christi Auferstehung.
Jesus hatte sie vorbereitet auf eine Zeit ohne seine sichtbare und fühlbare Gegenwart. Davor saßen sie ein letztes Mal zusammen. Letzte Fragen kamen auf:
„Herr, wirst du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel? Er antwortete: Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat; aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird“ (Apg 1,6-8a).
Was wäre denn, wenn wir Zeit und Stunde wüssten? Wir würden aufhören, Wartende zu sein. Wir würden unserer Sehnsucht keine Gestalt mehr geben und abstumpfen. In der Ungewissheit bleiben wir wach. Die Vaterunser-Bitte „Dein Reich komme“ gibt unserem Leben eine Richtung.
Die Jüngerinnen und Jünger müssen erwachsen werden und sich ihres Meisters würdig erweisen. Sie sollen die gute Botschaft ausbreiten und das Reich Gottes verkünden bis an die Enden der Welt. Sie werden zu Zeugen berufen, zu Martyres: Zeugenschaft würde nicht leicht werden, den Einsatz ihres Lebens fordern. Jesus gibt ihnen alle Wegzehrung dafür: „Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber sollt mit dem Heiligen Geist getauft werden.“ „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen.“
Und schließlich sind da noch die zwei Männer in weißen Gewändern, die den Hinterherschauenden sagen: „Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.“
Über dem Auftrag steht also eine Verheißung.
Konkret wird er in den paulinischen Briefen, wo sich der Apostel auf die Himmelfahrt bezieht. Paulus ist Berufungsberater. Es gibt nur einen Weg, sich der Berufung durch Christus würdig zu erweisen, der beruht auf dem Willen zum Frieden und dem Verzicht darauf, mit anderen in Konkurrenz um die gelungensten Höhenflüge zu treten. Als Berufungsberater lehrt uns Paulus, dass anscheinende Schwächen wie Demut und Nachgiebigkeit in Wirklichkeit Stärken sind, die unserem Glauben Ausdauer und Kraft verleihen.
So schreibt er an die Gemeinde in Ephesus: „Ich ermahne euch, …dass ihr der Berufung würdig lebt, in aller Demut und Sanftmut, in Geduld. Ertragt einer den andern in Liebe und seid darauf bedacht, die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens zu wahren: … damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen durch das trügerische Würfeln der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen“ (vgl. Eph 4,1-14). Das sind tröstliche und mahnende Worte.
"Durch Christus werden wir hinaufgezogen vor Gottes Herz." Wir bekennen es in jeder Eucharistiefeier: Erhebet Eure Herzen – Wir haben sie beim Herrn.“
Die Fußspuren Christi sind der lebendige Beweis für seine Gegenwart auf Erden. Es sind menschliche Spuren. Damit ist auch unser Glaube geerdet und nicht irgendwo im Wolkenkuckucksheim unterwegs. Wir sind berufen, wie Christus Fußabdrücke auf der Erde zu hinterlassen, seinen Spuren nachzugehen. Und gleichzeitig sollen wir unseren Blick dorthin richten, wo Jesus hingegangen ist und auf uns wartet, und dabei ein wenig von unserer Erdenschwere lassen.
Luther: "Christus will uns immerdar durch sich hinaufziehen, des Vaters Herz und seine Freundlichkeit zeigen, sodass wir uns nicht vor ihm fürchten, sondern fröhlich ansehen und mit aller Zuversicht vor ihn treten."
Amen.
1 Luther (aus dem anderen Advent 2009, 25. 12.)
2 Martin Luther, Predigt über Luk. 24, 50-53, Alle Predigtauszüge aus: https://glaubensstimme.de/doku.php?id=autoren:l:luther:h:luther-luk._24_50-53
Es gibt so bange Zeiten,
Es gibt so trüben Mut,
Wo alles sich von weitem
Gespenstisch zeigen tut.
Es schleichen wilde Schrecken
So ängstlich leise her,
Und tiefe Nächte decken
Die Seele zentnerschwer.
Die sichern Stützen schwanken,
Kein Halt der Zuversicht;
Der Wirbel der Gedanken
Gehorcht dem Willen nicht.
Der Wahnsinn naht und locket
Unwiderstehlich hin.
Der Puls des Lebens stocket,
Und stumpf ist jeder Sinn.
Wer hat das Kreuz erhoben
Zum Schutz für jedes Herz?
Wer wohnt im Himmel droben,
Und hilft in Angst und Schmerz?
Geh zu dem Wunderstamme,
Gib stiller Sehnsucht Raum,
Aus ihm geht eine Flamme
Und zehrt den schweren Traum.
Ein Engel zieht dich wieder
Gerettet auf den Strand,
Und schaust voll Freuden nieder
In das gelobte Land."
(In: Mit einem Engel durchs Jahr, Hrsg.: W. Erk. Radius-Vla, 2011. S 260)
Predigt von Br. Jeremias OSA am 8. und 9. Mai 2021.
Die Predigt vom 5. Ostersonntag am 1. Mai 2021:
ich lese dieses Gleichnis
vom Weinstock und den Reben
und
sofort ist sie da
diese vertraute Stimme in mir
eindringlich flüstert sie mir ein:
mehr Frucht bringen!
hörst du?
Es ist nicht genug!
du sollst mehr Frucht bringen!
Also:
mehr anstrengen!
Mehr leisten!
Mehr Zeit und Kraft investieren!
los – treibt sie mich an:
noch mehr anstrengen!
noch mehr leisten!
noch mehr Zeit und Kraft investieren!
ACH
seufze ich laut
ich fühle mich so kraftlos
nach einer langen Weile
nehme ich die Bibel noch einmal zur Hand
lese dieses Gleichnis ein zweites Mal
ACH
staunend entdecke ich
da steht ja was ganz Anderes
es geht ja gar nicht um mehr Anstrengung
es geht ja gar nicht um mehr Leistung
es geht ja ums Bleiben und Geschehen lassen
ACH
seufze ich
ACH
darum geht’s:
mit DIR verbunden sein und verbunden bleiben
in DIR bleiben, um Frucht zu bringen
mich von DIR reinigen zu lassen, um mehr Frucht zu bringen
mehr Frucht bringen
durchs Bleiben
mehr Frucht bringen
durchs Geschehen lassen
ACH
mehr Frucht bringen geschieht!
mehr Frucht bringen geschieht durch DICH!
Erleichtert atme ich auf
was für eine tröstliche Zusage
was für ein starkes Bild vom Frucht bringen
ACH
lass dieses Bild stärker sein
stärker
als die Stimme in mir
ACH
ich will bleiben
bleiben in DIR
(aus: https://www.spurensuche.info/wp-spurensuche/portfolio/weinstock-und-reben/)
Predigt von Christoph Kuchinke am 4. Ostersonntag.
Wirdanken dir Gott
für den neuen Weg
den du uns eröffnet hast
durch einen guten Hirten
wir wären nicht drauf gekommen
wir hätten uns was anderes ausgedacht
wir danken dir
gott
für den wink
den du uns gegeben hast
in jesus von nazaret
und an allen kreuzungen
des lebens
hast du uns einen neuen wink gegeben
wir danken dir
gott
dass du uns manchmal
den allzu sicheren boden
unter den füßen weggenommen hast
wir danken dir
gott
für die durststrecken
für die hungerstrecken
die uns hungrig
und durstig machen
nach dir
unserem wahren ziel
wir danken dir
gott
für so vieles
gegen das wir uns aufbäumen
für so vieles
das uns quer kam
und das dann doch unser weg wurde
unser richtiger weg
nicht der weg,
den wir wollten
aber der weg
den wir sollten
weg
kreuzweg
heilsweg
dein weg
wilhelm wilms