Moonlightmass mit Jazz am 13. Juni 2021 im Kreuzgarten von Regler
Team: Marieluise Morgenstern, Nic A. Elß, Br. Jeremias OSA
Jazz: Bernadett Wollensak, David Hagedorn
Technik: Steffi Krause; Fotos: Br. Jeremias Kiesl OSA, Annette Winter
Einleitungssatz (Du bist eingeladen…)
Setze dich aufrecht auf den Stuhl, so dass es für dich angenehm ist. Du kannst ein wenig hin und her rutschen, bis du eine bequeme Sitzposition gefunden hast. Stelle deine Füße gerade auf den Boden, so dass du den Boden spüren kannst.
Wenn du möchtest, kannst du die Augen schließen und atme ruhig und gleichmäßig ein und aus. Du kannst spüren, wie du mit jedem Atemzug ruhiger und gelassener wirst.
Stelle Dir vor Deinem inneren Auge einen schönen, großen Baum vor, der Dir richtig gut gefällt. Vielleicht erinnerst Du Dich an einen bestimmten Baum, der Dich beeindruckt hat oder den Du gelegentlich aufsuchst. Siehe diesen Baum in seiner Umgebung nun ganz genau vor Dir. Stelle Dir seine Größe vor, seinen Stamm mit der Rinde, die ganze Krone des Baums, die großen und die kleineren Äste und alle die vielen immer kleiner werdenden Zweige mit dem Blätterwald.
Nimm alles wahr, was Du, während Du Deinen Baum betrachtest, erlebst: Die Sonne auf Deiner Haut, alle Farben, Farbnuancen, Formen, Geräusche wie Blätterrascheln, Vogelgezwitscher, den Geruch der Erde oder andere Düfte. Schau Dir in Ruhe alles an Deinem Baum und seiner Umgebung an.
Während du weiter diesen Baum anschaust, kannst du die Kraft und Ruhe spüren, die von diesem Baum ausgeht. Du spürst, wie die Kraft des Baumes sich auf Dich überträgt, wie Du eine Einheit mit dem Baum bildest.
Spüre, wie auch du mit deinen Füßen in der Erde verwurzelt bist. Deine Wurzeln werden immer dicker, reichen mehr und mehr in die Erde hinab und verzweigen sich in der Tiefe der Erde.
Du spürst, wie Du wächst und immer größer wirst. Dein Baumstamm ist sehr stabil und Deine Baumkrone mächtig. Fühle deinen festen Stand. Nimm bewusst den Halt wahr. Wenn Du magst, kannst Du Dich ein wenig hin und her wiegen lassen, als sei gerade ein Wind aufgekommen, der Deine Zweige in Bewegung bringt. Du kannst die Wärme der Sonne spüren, die dir Energie schenkt und dich wachsen lässt.
Genieße eine Weile in Ruhe, so tief verwurzelt und stark zu sein.
Du kannst dich nun langsam von deinem Baum verabschieden, und du weißt, dass du ihn jederzeit wieder besuchen kannst.
Wenn Du soweit bist, löse Dich langsam aus Deiner Verwandlung, komm mit Deiner Wahrnehmung zurück in den Garten der Reglerkiche und öffne vorsichtig Deine Augen. Lass Dir Zeit!
Predigt zu Gen 3
Br. Jeremias Kiesl OSA
in der Reglerkirche | St. Augustinus Erfurt
Lektoren: Konstanze & Wieland Wiederhold
Musik: Br. Pius Wegscheid OSA, Regler-Singschar
Fotos: Br. Jeremias, Martina Brunner (Andalisien)
Schnitt: Matthias Kiesl
Jesus Christus, unser Bruder, der HERR, sei mit euch!
Ist Jesus verrückt? Er leitet die Menschen an, den großen Gott „lieber Papa“ zu nennen, jeden Menschen, ja sogar die Feinde, zu lieben, das Kreuz (!) anzunehmen, das das Leben und andere Menschen uns zumuten. – Ist das nicht ver-rückt?
„Er ist von Sinnen – er ist verrückt!“, das sagen die eigenen Verwandten über Jesus. – „Er ist besessen!“, tönen die Schriftgelehrten aus Jerusalem. – Welcher Vorwurf wiegt schlimmer?
Liebe Schwestern und Brüder, heute begegnen wir in der Liturgie keinem von Harmonie umgebenen und keinem harmlosen Jesus. Wenn heute auf dem Domberg und vielerorts in unseren Thüringer Gemeinden Fronleichnam gefeiert wird, dann doch hoffentlich in dem gläubigen Bewusstsein: Jesus weicht dieser Welt nicht aus, damals nicht und auch heute nicht. Er geht dorthin, wo unser Alltag ist. Er ist und bleibt mit uns unterwegs!
Im Evangelium steckt Jesus heute mitten in den Auseinandersetzungen von Familie, Gesellschaft und Religion. Lassen wir uns mit hineinziehen in diese Konfliktlage des Herrn! Ach, wir sind längst mittendrin, wo auch immer wir leben und kämpfen! Lernen wir dabei – hoffentlich – unsere eigenen Konflikte besser begreifen.
Den gekreuzigten und auferstandenen HERRN rufen wir in unsere Mitte:
HERR Jesus Christus, wir beten um Frieden in der Welt – und sind oft selbst der Anlass von Unfrieden in unseren Familien oder Gemeinschaften und in unserer Nachbarschaft. – Wo bist du, Friedensfürst? – HERR, erbarme dich unser.
HERR Jesus Christus,wir suchen Gott und wissen uns bei ihm geborgen – und missbrauchen ihn oft, um andere schlecht zu machen und abzuwerten. Wo bist du, Heiland aller Menschen? – Christus, erbarme dich unser.
HERR Jesus Christus, wir suchen die Einheit und die Harmonie, und grenzen uns doch so oft von „denen da“ ab, mit denen wir nichts gemein haben wollen. – Wo ist die Einheit, die du uns versprochen hast? – HERR, erbarme dich unser.
Der HERR wende sich uns indieser Feier wieder zu, erbarmungsvoll nehme er Schuld und Sündevon uns – ja, glauben wir daran: ER hat es längst getan! – Erführe uns heute schon in seine Weite und einst zum ewigen Leben ingöttlichem Frieden. Amen.
Gott, unser Vater, alles Gute kommt allein von dir.
Lass uns das begreifen, wenn wir meinen,
deine Weisungen seien uns zu schwer.
Schenke uns dann von deinen Geist,
damit wir herausfinden aus unserer Enge und Ichbezogenheit.
Gib uns deine Kraft und deine Gnade,
damit wir mit deiner Hilfe auch selbst das Gute tun.
Darum bitten wir durch Jesus Christus, unseren HERRN. Amen.
Der Sündenfall, wie er in Gen 3 erzählt wird, hat nicht die Absicht, eine Historie festzuhalten. Vielmehr wird etwas Grundlegendes über den Menschen erzählt: Wie gehen wir mit Schuld um? Und was sagt das über unsere Gottesbeziehung?
Wir kennen die Verse, die der heutigen Lesung vorausgehen, ziemlich gut. Hätte ich widerstehen wollen, wenn die Früchte am Baum der Erkenntnis gar so locken? Nein, ich hätte auch zugegriffen! Es ist wahrhaft köstlich, zu wissen und gewichten zu können: Gut und böse unterscheiden, wer wollte das nicht? „Ihr werdet sein wie Gott!“, zischelt die Schlange. – Ach, das wäre schön!
Wenn nun ausgerechnet die Früchte der Erkenntnis so verlockend sind – warum nur macht Gott gerade das Verbotene so reizvoll?! Wollte ER am Ende sogar, dass Adam und Eva zugriffen und sich die Frucht der Erkenntnis schmecken ließen? – Ich würde so weit nicht gehen, obgleich ich in der Osternacht das Exultet liebe, wenn es von der glücklichen Schuld singt, und: Welch großen Erlöser hast du gefunden!
Ich glaube auch nicht, dass das Böse nötig sei, damit man das Gute überhaupt zuschätzen wisse. Da halte ich es lieber mit Augustinus, der dem Bösen kein eigenes Sein zugesteht. Vielmehr begegnet uns im Bösen der Abergeist, der stets verneint, der dem Guten andauernd widerspricht und nur in der Opposition eine fragile, aber leider durchaus verheerende Seinsweise fristet.
Wenn aber Gotteinst alles in allem (1 Kor 15,28) sein wird, dann wird es um das Böse geschehen sein. Wer wollte glauben, dass man dann vor lauter Gegenwart Gottes das Gute nicht mehr erkennen könne? Das hielte ich für ziemlichen Unsinn.
Also, Adam und Eva sind schuldig. Da führt kein Weg daran vorbei. Und ja, ein bisschen froh können wir schon sein, dass sie zugegriffen haben. Schließlich leben wir als Menschen, die auf ihr Wissen besonders stolz sind. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir weitere, bahnbrechende Erkenntnisse finden, die unsere Genialität, ja förmlich unsere Gottgleichheit unterstreichen. – Nicht? Ach, so denken doch Viele! – Oder etwa nicht?
Gott ruft Adam; ER ruft den Menschen: „Wo bist du?“ Aber der Mensch ist nicht Gott gleich. Furcht steigt in ihm auf. Er versteckt sich. Die erste Erkenntnis ist eine bittere: Ich bin nackt!
Immerhin: Adam fasst diese Erkenntnis in Worte. Zu viele Adams und Evas heute pflücken Feigenblatt um Feigenblatt, um wenigstens notdürftig ihre Blöße zu bedecken. Aber Feigenblätter kleiden nicht. Das kleine, wehrlose Kind zittert in uns; es bräuchte Fürsorge. Wir jedoch blähen uns auf, geben uns wichtig, grandios und unschlagbar. Aber selbst der Kaiser muss einmal erkennen: Ich bin nackt! – Wird es ihn auch reuen? Wird er seine Schuld sehen und annehmen? Das wäre ja zu schön...
So ertappt machen Adam und Eva etwas, was vielleicht typisch ist für unseren Umgang mit Schuld. Auf der Bernwardstür im Hildesheimer Dom ist das wunderbar dargestellt. Gott konfrontiert Adam mit seiner Schuld, doch der zeigt auf Eva, die wiederum gleich weiter auf die Schlange weist: Der war's! Ich kann nichts dafür! Sie war's!
Gut und Böse zu erkennen, nimmt uns in die Pflicht. Aber die große Tragik des Menschen ist und bleibt durch alle Zeiten hindurch, dass er die Verantwortung wegschiebt. Ich? Nein, ich kann nichts dafür! Die waren's! Wir können die aktuellen Themen unter diesem Aspekt prüfen und stoßen immer wieder auf dieses Phänomen: Als wären andere für die Konsequenzen unseres Tuns und Lassens verantwortlich: beim Umweltschutz, in der Friedenspolitik, bei Fragen der globalen Gerechtigkeit,… Immer suchen wir nach Schuldigen und stellen uns nicht der eigenen Schuld oder wenigstens Mitschuld. Ist das beim Thema Missbrauch in der Kirche anders? Oder gilt da auch für mich und jeden Einzelnen, dass wir Systeme stützen, in denen Unrecht erst möglich wird? Vielleicht bleiben wir immer mitschuldig...
Die Menschen werden aus dem Paradies vertrieben. Das ist bis heute für uns alle spürbar. So schön unsere Erde ist, sie ist kein Paradies. Und den schlimmsten Schmerz fügen Menschen einander zu. Im Schweiße unseres Angesichts essen wir unser Brot, und selbst die Freuden der Geburt sind mit enormen Schmerzen verbunden. Es ist ein Kampf, in dieses Leben geboren zu werden, es ist ein Kampf zu leben oder auch nur zu überleben, und es ist ein Kampf, bis man im Tod loslassen kann.
Und gerade deshalb sind wir zeitlebens herausgefordert zu lernen, unsere Schuld anzunehmen. Die Zeit der paradiesischen Unschuld ist vorbei. Aber darin liegt gerade die Chance, Wesentliches zu lernen. Wer weiß, dass er nackt ist, der sollte den anderen nicht bloßstellen. Im besten Fall erahnen wir das Paradies, nämlich dann, wenn zwei Menschen sich nackt einander schenken und spüren dürfen, dass gerade in ihrer Verletzlichkeit sich der Himmel öffnet.
Spannend finde ich, dass Gott selber die Menschen bekleidet (Gen 3,21). Gott lindert unsere Angst und Scham: „Meine Seele jubelt über meinen Gott. Denn er kleidet mich in Gewänder des Heils, er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit“, heißt es beim Propheten Jesaja (61,10).
Mehr noch: Einst wollte der Mensch sein wie Gott. Hatte der uns nicht etwas Wichtiges vorenthalten? Ein gewisses Misstrauen macht sich breit: Gott ist ein Spaßverderber, der uns das Beste nicht gönnt! Also: Selber werden wie Gott! – Ich fürchte, diese Haltung von Menschen hält bis heute an... Und so setzten Menschen sich über andere und urteilen wie Götter über die anderen von oben herab. „Wir wollen uns nicht dem Willen Gottes unterwerfen. Wir wollen unseren eigenen Willen durchsetzen!
Doch Gott sorgt für den neuen Adam. Wieder geschieht es in einem Garten: Angst, Todesangst befällt den neuen Adam. Doch obwohl er weiß, dass es um sein Leben geht, sagt er: „Nicht mein Wille geschehe, sondern der deine!“ – „O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden!“ (Exultet) Das Leben, an dem wir so hängen, wurde uns in Jesus neu geschenkt. Unverbrüchlich!
Diese Haltung hat Jesus seinen Jüngern ans Herz gelegt. Wir verlieren nichts, wenn wir uns dem Willen Gottes übergeben. Frei ist nicht der Mensch, der tun und lassen kann, was er will; nicht einmal der, der die Wahl hat zwischen gut und böse, denn was ist das für eine Freiheit, wenn einer das Böse wählt?! Wahrhaft frei ist, wer ja sagen kann zum Willen Gottes. So sieht es zumindest Augustinus.
Er könnte doch recht haben. Gott verflucht zwar den Ackerboden, nicht aber den Menschen. Ihn bekleidet er. Über ihm lässt er die Sonne auf- und untergehen. Ihm schenkt er den Erlöser, seinen Sohn Jesus Christus. Amen.
Fronleichnam 2021 | Impuls: Br. Jeremias Kiesl OSA
Fotos: (v.a.) aus dem Kloster Volkenroda (PJ) sowie von der Miniprozession in Regler (FH)
Eingeladen an einengedeckten Tisch
Wo du unser Gastgeber bist
Nährt uns göttliche Liebe
Wir hungern nach Liebe
Und finden den Platz oft nicht
Wo Du uns erwartest
In einem Stückchen Brot, damitwir es teilen
Eingeladen sind alle – denn
Nur so wird es für Gott ein Fest
Und für uns eine eucharistia
Danksagung
(Aus: Te Deum)
„Eucharistia“ – Danksagung. Für die Einladung an Gottes reich gedeckten Tisch. Für die Selbstverständlichkeit, glauben zu dürfen: Christus ist unterwegs mit uns und mitten unter uns. Hier in Erfurt. In unserer Stadt, bis hinein in unsere Häuser. – „Eucharistia“ – Danksagung.
Juliane von Lüttich hatte im 12. Jhd eine Vision, die schließlich zur ersten Fronleichnams-Prozession in Köln führte. Es ist vielleicht kein Zufall, dass Juliane als Begine lebte und somit die Verhältnisse in ihrer Stadt gut kannte, vor allem die Armen im Blick hatte. Christus geht durch die Straßen unserer Stadt. Er begegnet uns im Nächsten. Er geht dahin, wo wir wohnen.
Alles ist bereit! Selbst das Letzte Abendmahl erzählt Markus so, als habe ein anderer – DER ANDERE? – schon alles vorbereitet. Wie die Jünger werden wir geschickt – und finden alles so, wie es der HERR gesagt hat: Der Festsaal ist bereits hergerichtet und die Polster sind an der richtigen Stelle. Da ist der Rest bald erledigt. Eingeladen. Mich einbringen dürfen, und doch erfahren, dass bereits für mich gesorgt ist.
Alles ist so vertraut: Das alte Ritual des Pessah-Seder, das die Jünger seit Kindesbeinen an kennen, die Bündnisfeier von Auszug und Durchzug durchs Rote Meer. Alles bekannt!
Und doch klingen die Worte neu und unerhört. Sie haben sich verändert und Neues scheint auf: ein neuer Bund, nicht mit Blut von Opferlämmern, sondern „mein Blut des Bundes“: Christus, das Opferlamm, das den neuen Bund einschenkt, den Bundesbecher randvoll, im Angesicht des beginnenden Leidensweges und zugleich mit dem Geschmack des Festes, der Hochzeit, des Lebens!
Und nun warten wir, dass Gottes Reich anbreche und wir wieder mit IHM trinken dürfen: Leben in Fülle! Wir warten bei einem Bisschen Brot – der Wein bleibt der Gemeinde in diesen Tagen ja versagt – und denken: Alles bekannt und vertraut. Wie immer.
Doch bereitet hat den Festsaal ein anderer. Es ist alles bereits so weit vorbereitet, dass wir nur noch ergänzen können, hier ein wenig gestalten und dort. Aber das Wesentliche ist schon geschehen und das Wesentliche wird noch geschehen, wenn es aus unserer Routine ausbricht und wir erkennen: ER, der HERR, lebt mitten unter uns!
Und dann werden wir hinausgeschickt aus der Heimeligkeit der Kirche und der Heimlichkeit des Glaubens: Hinaus! Geht! An den Pranger, was du glaubst! Mit Gepränge, weil Christus durch die Stadt geht. Du bist nicht allein, wenn du hinausgeschickt wirst! Du bist Christa und Christus, wir alle sind Träger des Christus-Geheimnisses. Verraten wir dieses Geheimnis, das Geheimste, was wir haben und glauben: Verraten wir der Welt unser Geheimnis: ER ist schon längst mitten unter euch! Amen.
Als Boten der Liebe Christi sind wir gesendet auf die Segenswege. Wir dürfen wir IHN selbst in unsre Welt tragen:
Christus, ich trage dich nach Hause in meine Wohnung, zu meiner Familie, in meine Gemeinschaft, in die Nachbarschaft. Meine Liebsten und mein ganzes Umfeld – da sollst auch du sein – mitten unter uns.
Christus, ich trage dich an meinen Arbeitsplatz und zu den Menschen, mit denen ich fast tagtäglichzusammen bin; zu den KollegInnen und zu den Menschen, für die ich dasein muss; auch hier sollst du zu finden sein – mitten unter uns.
Christus, ich trage dich auf den Wegen, auf denen ich unterwegs bin: durch die Straßen und Orte, über Land; ich trage dich, wenn ich einkaufen gehe; ich trage dich zu den Menschen, die mir in diesen Läden begegnen; sei du auch dort zufinden – mitten unter uns.
Christus, ich trage dich in meinem Herzen; und da begegnest du all denen, die zwar räumlich weit weg von mir sind, aber doch ganz nah in meinem Herzen: Die vielen Menschen, die ich mag und doch so selten sehen kann; die mich manche wichtige Wegstrecke begleitet haben. Sei du auch bei ihnen – mitten unter ihnen.
Christus ich trage dich durch unsere weite Welt: auch auf Reisen und im Urlaub bist du bei mir; in mir begegnest du den Fremden; und in den Fremden begegnest du mir. Wo ich auch hingehe: Du bist schon da – mitten unter uns.
Hochgelobt und gebenedeit sei das allerheiligste Sakrament des Altares – von nun an bis in Ewigkeit. Amen.
Jeder Gottesdienst beginnt mit dem Kreuzzeichen: Wir stellen uns in die Gegenwart des dreifaltigen Gottes. Gott ist für uns ein undurchdringbares Geheimnis. Zugleich ist Gott uns unfassbar nahe als Vater und Bruder, als Geist-Atem, der uns leben lässt.
Der heilige Augustinus sei, so erzählt die Legende, beim Schreiben seines Buches „De Trinitate“ oft in Gedanken versunken am Strand seiner nordafrikanischen Bischofsstadt Hippo Regius spazieren gegangen. Einmal sah er einen kleinen Jungen im Sand sitzen. Er hatte eine Kuhle gegraben, in die er eifrig Wasser aus dem Meer schöpfte. „Was machst du da?“, fragt ihn Augustinus. „Ich schöpfe das ganze Meer aus!“ – „Das wirst du nie schaffen!“ – „Ebenso wenig wie du die Dreifaltigkeit Gottes jemals begreifen wirst!“, antwortet der kleine Junge.
Und doch wird Augustinus ein Leben lang nicht müde, Gott zu suchen und sich an IHM zu freuen. Immer wieder entdeckt er Gottes dreifache Dynamik im Spiegel der Schöpfung: Vater – Mutter – Kind; Gott – Mensch – Nächster; ich – du– wir; …
Augustinus hatte viel Freude an solchen Triaden, die für ihn deutlich machen: Glaube ist nicht schwer, sondern leicht. Er hat etwas Spielerisches! Der Dreifaltige verbirgt sich in allen Dingen. So unfassbar groß ER auch ist, so dreifaltig-einfach ist er verborgen.
Dieses Geheimnis feiern wir jetzt: unfassbar und doch so nahe ist uns Gott, wenn wir die Gegenwart Christi hier in unserer Mitte in seinem Wort und in Brot und Wein feiern.
Lassen wir uns von seiner unfassbaren Gegenwart ergreifen!
Geheimnis
über uns
über allem, was oben ist
größer als der größte Mensch
die mächtigste Macht
Herr, erbarme dich.
Geheimnis
unteruns
unter allem, was unten ist
kleiner als der kleinste Mensch
die ohnmächtigste Ohnmacht
Christ, erbarme dich.
Geheimnis
nah' bei uns
nah' bei allem, was nahe ist
näher als der nächste Mensch
die wirklichste Wirklichkeit
Herr, erbarme dich
Mose sprach zum Volk; er sagte: 32 Forsche doch einmal in früheren Zeiten nach, die vor dir gewesen sind, seit dem Tag, als Gott den Menschen auf der Erde erschuf; forsche nach vom einen Ende des Himmels bis zum andern Ende: Hat sich je etwas so Großes ereignet wie dieses und hat man je solches gehört? 33 Hat je ein Volk mitten aus dem Feuer die donnernde Stimme eines Gottes reden gehört, wie du sie gehört hast, und ist am Leben geblieben? 34 Oder hat je ein Gott es ebenso versucht, zu einer Nation zu kommen und sie sich mitten aus einer anderen herauszuholen unter Prüfungen, unter Zeichen, Wundern und Krieg, mit starker Hand und hoch erhobenem Arm und unter großen Schrecken, wie alles, was der HERR, euer Gott, in Ägypten mit euch getan hat, vor deinen Augen?
35 Du bist es, der das hat sehen dürfen, damit du erkennst: Der HERR ist der Gott, kein anderer ist außer ihm. 36 Vom Himmel herab ließ er dich seine donnernde Stimme hören, um dich zu erziehen. Auf der Erde ließ er dich sein großes Feuer sehen und mitten aus dem Feuer hast du seine Worte gehört. 37 Weil er deine Väter lieb gewonnen hatte, hat er alle Nachkommen eines jeden von ihnen erwählt und dich dann in eigener Person durch seine große Kraft aus Ägypten geführt, 38 um bei deinem Angriff Völker auszurotten, die größer und mächtiger sind als du, um dich in ihr Land zu führen und es dir als Erbbesitz zu geben, wie es jetzt geschieht.
39 Heute sollst du erkennen und zuinnerst begreifen: Der HERR ist der Gott im Himmel droben und auf der Erde unten, keiner sonst. 40 Daher sollst du seine Gesetze und seine Gebote, auf die ich dich heute verpflichte, bewahren, damit es dir und später deinen Nachkommen gut geht und du lange lebst in dem Land, das der HERR, dein Gott, dir gibt für alle Zeit.
Die Lesung aus dem Buch Deuteronomium ist ein „Wort an der Schwelle“. Bevor Israel das Gelobte Land betritt, ergreift Mose, der das Volk Israel bis hierher geführt hatte, noch einmal das Wort. Es ist eine längere Ansprache, dem Anlass entsprechend. Mose hält damit quasi seine Abschiedsrede. Er selbst wird ja das Land gar nicht betreten. Seine Worte sind ein Vermächtnis.
Ach, werden die Exegeten nun vielleicht einwenden: So war das historisch kaum. Und die Worte, die wir heute gelesen haben, sie sind wohl erst Jahrhunderte später so gesetzt worden, wahrscheinlich erst im babylonischen Exil. Damals stand das Volk Israel wieder an der Schwelle: Wenn es eine neue Chance gäbe, im Gelobten Land noch einmal von vorne anzufangen, was wäre dann wichtig? Worauf sollte man dann besonders achten?
Auch wir stehen an der Schwelle. Ostern ist vorbei, das Pfingstfest letztes Wochenende wollte uns Mut machen, im Alltag auf den Beistand Gottes, auf seine Geistkraft zu vertrauen. Und nun feiern wir an diesem Sonntag Gott, den dreifaltig Einen, dessen göttliche Dynamik (von „dynamis“ = Kraft) alles durchwaltet...
Es ist die Situation von uns Menschen zu allen Zeiten und an allen Orten. Immer stehen wir ander Schwelle. Wir setzen den Fuß nach vorne – oder werden nach vorne gestoßen, ob wir wollen oder nicht – und immer bleibt die Zukunft ungewiss und daher ein Wagnis. Wir wissen nicht, wie alles werden soll, und müssen doch weiter: aufrecht oder kriechend, stolpernd oder leichtfüßig... – danach fragt niemand.
Mose steht an der Schwelle. Sein Rat beim Blick über den Jordan ist zeitlos: „Forsche doch einmal in früheren Zeiten nach, die vor dir gewesen sind, seit dem Tag, als Gott den Menschen auf der Erde erschuf; forsche nach vom einen Ende des Himmels bis zum andern Ende: Hat sich je etwas so Großes ereignet wie dieses und hat man je solches gehört?“(V. 32)
Rückblick ist angesagt. Aber nicht im Nachtrauern, was alles zu Ende ging und nun nicht mehr sein wird, liegt die Kunst des Lebens. Lebenskönnerschaft entsteht für einen Menschen, der glauben will, in der Reflexion, wie Gott mit uns auf dem Weg war, vom Uranfang bis heute; wie er meinen Uranfang begleitet hat und deinen, wie er uns zusammengeführt hat, ja erst zu dem gemacht hat, der ich bin; zu der, die du bist; zu denen, die wir geworden sind: Sein Volk, Herausgerufene – Kirche: Ekklesia, die Versammlung der Gerufenen.
In dieser Versammlung gilt es, das „Gottesgerücht“ (vgl. Paul Michael Zulehner) zu hegen. Es gilt, die Glut des Glaubens nicht zu ersticken unter Strukturen und äußerem Popanz, unter Streitigkeiten, Eifersucht und Rechthaberei, unter Profilierungswahn und Eitelkeiten. Wir stehen in der Tradition des Glaubens unserer Vorfahren und haben zugleich die Aufgabe, seine Glut für heute wieder zu entfachen: ein „Knäckerchen“ anzubrennen,wie man – so habe ich erfahren – in Thüringen sagt, damit man ein großes Feuer entzünden kann.
Noch glimmt die Glut unter der Asche! Es geht am Auftrag vorbei, einfach nur eine Modernisierung der Kirchen und Gemeinden zu fordern. Modern ist auch der Zeitgeist – der doch nichts weiter zu bieten hat, als was überall zu haben ist. Erneuerung muss sich am Evangelium orientieren. Die Botschaft vom Reich Gottes muss leuchten, doch nicht wie eine Leuchtreklame, die hell, aber tot ist. Das milde Licht des Feuers, der Geist – die Ruach, steckt an und greift um sich.
Beim Propheten Sacharja lesen wir vom „Gottesgerücht“, das anzieht und sich verbreitet: „So spricht der HERR Zebaoth: Zu der Zeit werden zehn Männer aus allen Sprachen der Heiden “einen” jüdischen Mann beim Zipfel seines Gewandes ergreifen und sagen: Wir wollen mit euch gehen, denn wir hören, dass Gott mit euch ist“ (Sach 8,23).
Wo Gottes Gegenwart spürbar wird, da kommen andere fast wie von selbst dazu. Sie werden von der Sehnsucht getrieben, die nur geweckt zu werden braucht. Leben wir so, dass die Gegenwart Gottes in unsrem eigenen Leben wahrnehmbar wird, dass andere es sehen können? Sind wir "Salz der Erde" und "Licht der Welt" (vgl. Mt 5,14–16), lebendiger Hinweis auf den dreifaltigen Gott?
Ist unser Glaube Beiwerk für ein paar schöne Familienfeste, für eine sonntägliche Struktur, ein wenig Sicherheit für alle Fälle? Oder leben wir aus dem Glauben an IHN, den Dreifaltigen? Weil wir erkannt und zuinnerst begriffen haben: Der HERR ist Gott [...], keiner sonst (vgl.V. 39) – mehr noch: weil GOTT uns zuinnerst ergriffen hat und formt. Daher ist Vorsicht geboten!
Im Rückblick ist zu sehen, dass Gott ganz und gar für seine Menschen da ist. Die Pro-Existenz, Sein Leben FÜR UNS, ist schon im Ersten Testament auf allen Seiten der Bibel erfahrbar. Im Vers 34 heißt es, dass Gott alles für sein Volk getan hat: Befreiung aus Ägypten und Durchzug durch Wüste und Meer. Die Einheitsübersetzung wählt an dieser Stelle statt dem Wörtchen „für“ die Präposition „mit (euch)“: Was Gott mit uns getan hat... Beides scheint mir absolut richtig zu sein und sich zu ergänzen. Gott ist ganz da für die Menschen. Und er macht etwas mit den Menschen: Sie werden durch sein Handeln erst zum Gottesvolk. Umgekehrt heißt das aber: Erst wenn wir Gott an uns wirken lassen, können wir zu seinem auserwählten Volk werden. Er soll uns prägen und verwandeln, zuinnerst ergreifen und formen!
Die Rückschau, zu der Mose die Seinen aufruft, kann uns stärken und Mut machen für die ungewisse Zukunft, die immer dunkel vor uns liegt. Christen sind konservativ: Sie bewahren die Heilige Erinnerung, aus der sie leben können. „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“, ruft uns der Priester bei der Wandlung zu. Diese Erinnerung setzt gegenwärtig, was Gott für uns getan hat und immer noch tut. Gewandelt werden nicht nur Brot und Wein; auch wir Feiernden müssen uns wandeln lassen. „Das ist mein Leib“, sagt der Priester mit Blick auf die Gemeinde am Altar. Gott macht mit uns, dass wir sein auserwähltes Volk werden, lebendiger Leib seines Sohnes Jesus Christus.
In diesem Sinne sind Christen dann auch progressiv: Sie gehen als Gesandte vorwärts, hinaus aus dieser Feier und mutig in die ungewisse, dunkle Zukunft. Sie wissen, dass sie „Licht der Welt“ sind; dass sie „Salz“ sind, das Geschmack auf das Evangelium macht; sie tragen das „Gottesgerücht“ in die Welt hinein, bescheiden und in zerbrechlichen Gefäßen, aber angerührt und bewegt durch Gottes Kraft und Dynamis: zuinnerst ergriffen vom EINEN.
Darin deckt sich das Vermächtnis des Mose inhaltlich mit den letzten Worten Jesu im Matthäus-Evangelium und wird sogar noch übertroffen, wenn Jesus sagt: „Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt28,20). „Er ist das Ebenbild des unsichtbaren (dreifaltigen) Gottes“ (Kol 1,15), hörbar und begreifbar für uns im Wort und Sakrament bis zum Ende unserer Tage: Weg, Wahrheit und Leben (vgl. Joh 14,6).
Lasst uns alle Tage an dieser Zuversicht festhalten! Amen.