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April

2024

Ostermontag 2024

Nicole Jahn

Jesus Christus, der uns Weg, Wahrheit und Leben ist, sei mit euch!

„Der Herr ist vom Tod auferstanden, wie er gesagt hat.“ Wie schwer fiel es den Jüngern, diese Worte am Grab Jesu zu glauben. Erst nach und nach begrif­fen sie, was das hieß: dass mit dem Tod Jesu nicht al­les zu Ende war, dass er nach wie vor bei ihnen war, ja dass für sie die große Zeit ihrer Sendung erst an­fing. Aber als sie es begriffen hatten, konnten keine Mühen und Gefahren sie mehr daran hindern, die frohe Botschaft in ihre Umgebung, in die ganze Welt hinauszutragen. Wir feiern jedes Jahr Ostern, damit auch unser Herz mehr und mehr begreife, da im tiefsten alles ganz anders ist, als der Augenschein uns oft meinen lässt. Sonntag für Sonntag feiern wir ein „kleines Ostern“, hören wir Worte aus der Heiligen Schrift, beten mit­einander und füreinander und begegnen unserem Herrn im heiligen Mahl, damit auch wir mehr und mehr erfüllt werden von der Gewissheit, dass ER bei uns ist.

Impuls von Nicole Jahn am Ostermontag

Nein, wir feiern nicht die Auferstehung des Osterh­asen… und er ist auch nicht wegen einer Kreuzung gestorben. "Was Ostern bedeutet" - welchen Aufsatz würdet Ihr (Sie) heute darüber schreiben… Mein Aufsatz als Kind wäre kurz ge­fasst um Osterferien, Schokolade und Ostereiersuche im Schrebergar­ten der Großeltern gehan­delt. Undheute, heute würde ich schreiben: Grü­nes Gras. Blühende Sträu­cher. Bunte Blumen. Nach den dunkeln Wintertagen und den kalten Nächten tun die Sonne und der Frühling richtig gut!

Und doch erinnert uns Ostern an einen ganz besond­eren Tod und an ein Ereignis, das alles ver­ändert. Jesus wurde gekreuzigt und ist gestor­ben. Doch nach drei Tagen ist er wieder aufer­standen. Das Grab ist leer. Das ist das Besondere daran. Je­sus wurde begraben, aber als einige Frauen den Leichnam sal­ben wollten, war er nicht mehr da. „Der Herr ist auferstanden“, das war die Botschaft der Engel am Grab. "Der Herr ist auferstanden" - wie ein Lauffeuer geht diese Nachricht um die gan­ze Welt. Von Is­rael nach Sy­rien. Nach Europa, Afri­ka, Asien und Amerika. In die Ukraine und auch nach Rußland.

Wir feiern Ostern gemeinsam! Gemeinsam mit vie­len Christen auf der ganzen Welt. Egal ob evange­lisch, katholisch, orthodox oder freikirch­lich. An Ostern rufen wir uns zu: „Der Herr ist auferstan­den“ - „Er ist wahrhaftig auferstanden!“

Wie wäre es, wenn wir uns gegenseitig schreiben oder erzählen, wie und warum wir Ostern feiern. Warum das wichtig für uns ist. Ich feiere sehr gern Ostern. Dass Jesus nicht im Grab geblieben, son­dern auferstanden ist, gibt mir Hoffnung. Hoffnung, wenn ich an einem Grab stehe und traurig bin, weil ein lieber Mensch gestorben ist. Jesus ist auferstan­den, deshalb glaube ich: Der Tod hat nicht das letz­te Wort! Das Leben siegt.

So wäre ein Teil von meinem Aufsatz und ich würde dann über Ostermontag weiterschreiben. Noch ein­mal feiern wir ja an diesen Ostermontag das hohe Osterfest und begehen die festliche Os­terzeit, 50 Tage hindurch bis Pfingsten. Es ist Os­termontag, eine der schönsten Antworten, bes­ser als jeder Auf­satz von mir, gibt das heutige Evangelium mit der Erzählung von den EMMAUSJÜNGERN.

Die beiden waren am Boden zerstört. Alle ihre Hoff­nungen, Pläne für ihr eignes Leben, für eine besse­re Zukunft ihres Volkes waren am Kreuz vernichtet worden. Der verheißene Messias war nach grausa­mer Folter tot und begraben. Das ganze Leben der Beiden war nun ein Scherben­haufen. Sie wollten nur noch weg aus Jerusalem. Voller Wut und Trauer, voller Zweifel einen Fuß vor den andern, in der Hoffnung in ihr früheres Leben zurück zu kehren und die erlebten Ereig­nisse zu verarbeiten. Nun kam ein Dritter bei ih­nen, der sich als Weggefährte anbot. Eigentlich möchte man in seiner Trauer alleine sein. Aber dieser Fremde ist ein guter Trauerbegleiter. Er quatscht die Beiden nicht voll, versucht nicht bil­ligen Trost zu spenden.

Der Fremde schweigt, hört zu. So können sie ihre Gefühle und Eindrücke ein Stück weit von der Seele reden. Als der Fremde nach langer Zeit des Zuhö­rens anfängt mitzureden, nicht besserwisse­risch oder altklug kommt er ihnen daher, son­dern sehr behutsam. Er kann Worte sprechen, die den verletzten Seelen der Beiden gut tun. Es ist eine heilsame Weggemeinschaft. Die bei­den Emmausjünger haben den Fremden eingelad­en: "Bleib doch bei uns!" Nach der lan­gen Weggemein­schaft des Zuhörens und des vorsichti­gen Mutma­chens, dann erst, als sie mit­einander vertraut wa­ren, spüren die Beiden, dass der Fremde es gut und ehrlich mit ihnen meint. Dann erst bricht er das Brot - und sie er­kennen IHN...

Diese biblische Erzählung ist unendlich kostbar. Sie zeigt mir, dass ich auf allen Wegen, die ich ge­hen muss, nicht alleine bin. Es geht einer mit, wenn auch oft schweigend, aber immer wohl­wollend, lie­bevoll - und so heilsam. Ostern zeigt mir hier einen andern Weg, einen menschliche­ren, einen barm­herzigen. Gerade heute sehnen sich viele Men­schen nach jemandem, der sie nicht einfach nur volltextet, sondern der sie ernst nimmt, so wie sie sind.

Vielleicht ist heute das Schweigen, das Ein­fach-nur-da sein, das Zuhören und Mitgehen mit den Men­schen da draußen das Allererste, zu dem wir alle gerufen sind, mitten unter den Menschen sollen wir Christen leben mit offenen Ohren, ohne erho­bene Zeigefinger oder altklugen Ratschlägen. Wir sollten im Leben der Menschen zuhören, daran An­teil nehmen, MITGEHEN.

30

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March

2024

Kraniche

Marion Herzberg

Wo sind die Kraniche?

Mehrere hundert Kraniche aus Papier „flogen“ von Weihnachten bis zum Palmsonntag in der Brunnenkirche; genauer gesagt: sie waren an zwei langen Schnüren befestigt, die sich längs durch das Kirchenschiff zogen.

Was ist der Hintergrund?

Wenn aus einem einfachen Stück Papier ....

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March

2024

Der "neue Bund" beim Propheten Jeremia

Bruder Jeremias OSA

Predigt von Br. Jeremias M. Kiesl OSA am 16./17. März 2024 über Jer 31,31-34
(5. Fastensonntag B | Brunnenkirche zu Erfurt)

Lektorin: Laurin Katharina Singer
Evangelium: Br. Pius M. Wegscheid OSA

Musik:
Projektchor der Brunnenkirche
unter der Leitung von  Bernadett Wollensak

Fotos von Matthias Kiesl oder gemeinfrei Wikipedia:
Jeremia diskutiert mit Gott (Bibliotheca Apostolica
Vaticana), Mosaik aus Monreale (Palermo), Basilica di S.
Giovanni in Laterano, Michelangelo - Cap. Sixtina,
Taufstein der Reglerkirche zu Erfurt, Trier / Basilika St.
Matthias

Einleitung

„Interessiert mich die Bohne!“ Die diesjährige Fastenakti­on von MISEREOR richtet denBlick auf nachhaltige Land­wirtschaft und gesunde Ernährung. Gemeinsam mit  ko­lumbianischen Projektpartnern setzt sich Misereor mit al­ternativen An­baumethoden für die Verbesserung der Le­bensbedingungen kleinbäuerlicher Familien ein. Denn eine gute Er­nährung für alle braucht Vielfalt vom Acker bis auf den Teller und eine gerechtere Verteilung.

Ein weiterer Schwerpunkt ist in diesem Jahr der Anbau von Kaffee, nicht selten unter Einsatz von Glyphosat und anderen Pflanzenschutzmitteln, mit denen die Kaffee­pflüc­ker ungeschützt in Kontakt kommen. Kaffee steht wahr­scheinlich beiden meisten von uns auf dem Früh­stückstisch. Es muss uns also sehr wohl die Bohne in­teres­sieren, wie Menschen leben (können), die unseren Kaffee produzieren. Zur Unterstützung dieser und ähnli­cher Pro­jekte in Kolumbien und anderswo bitten uns Mi­sereor heu­te um eine großzügige Kollekte.

Fragen wir uns heute: Interes­siert mich die Bohne? Inter­essieren mich die Schicksale der Men­schen welt­weit? Und wenn die Antwortet lautet „Ja“: Dann lassen Sie uns gemeinsam mit Misereor für die Um­kehr zu mehr Gerechtigkeit eintreten!

Predigt zu Jeremia 31,31–34

Kann man mit Gott im Bunde stehen? Das klingt für unsere Ohren zumindest ungewohnt. In der hebräischen Bibel dagegen scheint die Vorstellung gang und gäbe, dass Menschen, ja sogar ganze Völker von Gott einen Bund angeboten bekommen. Dabei wird ein spezielles Wort verwendet, das in der griechischen Übersetzung διαθήκη lautet. Das meint nicht so sehr einen Vertrag auf Augenhöhe. Viel­mehr bedeutet διαθήκη so viel wie Bund, Verfügung, [Heils-]Ordnung oder auch Testament.

„Bund“ meint „Inpflichtnahme eines Schwächeren durch einen Stärkeren. Dabei sagt meist der Stärkere dem Schwächeren Schutz zu. Theologisch bedeutet „Bund“, dass der Mensch von Gott verpflichtet wird. In erster Linie aber verpflichtet sich Gott selbst gegenüber uns Menschen.

Am Sinai schloss Gott einst einen solchen Bund mit Mose und dem Volk Israel. Die feierliche Selbstverpflichtung des Volkes lautete: „Wir wollen alles tun, was der HERR gesagt hat“(Ex 19,8)! Und auf der anderen Seite die Zusage Gottes: „Ich schließe einen Bund mit euch …“ (Ex 34,10). Der Bund am Sinai bildet den Kern der Bundesbeziehung zwischen Gott und Israel, das seinerseits diesen Bund durch viele Gesetzesbestimmun­gen weiter bekräftigt und konkretisiert. Doch gleichzeitig müssen die Propheten feststellen: Israel hat den Bund fortwährend gebrochen, ist fremden Göttern nachgelaufen und seine Herrscher haben die Armen und Schwachen unterdrückt.

Heute haben wir vom „Neuen Bund“ gehört, den Gott durch den Propheten Jeremia ankündigt. Es ist die einzige Stelle im AT, an der explizit von einer neuen διαθήκη die Rede ist. Wichtig ist, dass wir nicht denken, hier löse der neue den alten Bund an. Dieses Missverständnis (auch Thomas von Aquins: novo cedat ritui) hat viel Unheil angerichtet. „Neu“ meint hier vor allem „erneuert“ und v.a. „unverbraucht“. Der Bund am Sinai wurde von Gott niemals gekündigt. Das müssen gerade wir Christen immer wieder erinnern, damit unsere Sicht auf das Judentum nicht überheblich wird... Gott hält an seinem Versprechen fest.

Das ist nicht selbstverständlich. Denn Jeremia spricht vom „unverbraucht-neuen Bund“ in einer scheinbar völlig hoffnungslosen Situation. Jeremia hatte immer wieder ohne Erfolg zur Umkehr aufgerufen. Als die Neubabylonier dann Jerusalem eingekesselt hatten und jeder einsehen musste, dass Jeremia mit Recht vor den politischen Ambitionen Israels gewarnt hatte, da ließ der König den Propheten gefangen nehmen. Vielleicht hoffte er, Jeremia als Faustpfand nutzen zu können: Gott muss doch helfen, mindestens seinem Propheten muss er doch beistehen.

Stellen wir uns also einen Moment lang die konzentrischen Kreise der Hoffnungslosigkeit um Jeremia vor. Die Stadt Jerusalem ist eingekesselt, der Prophet wurde gefangen genommen und in die Burg verbracht, die am Rand desTempelberges errichtet war. Im innersten Wachhof sitzt Jeremia nun; zwischenzeitlich hatte man ihn sogar mal in die leere Zisterne imWachhof geworfen – noch so ein Kreis der Hoffnungslosigkeit – ihnaber dann doch wieder heraufgezogen.

Hoffnungslos. Das ReichIsrael kurz vor dem Untergang, der Tempel vor der Zerstörung. DasVolk vor der Verschleppung. Die Dynastie der Davididen vor demErlöschen. Der Bund mit Gott damit doch unwiderruflich am Ende.

Doch jetzt kommt Gott ins Spiel – und lässt seinen Propheten mitten in der Zerstörung den unverbraucht-neuen Bund bekräftigen. In der Hoffnungslosigkeit kannst du dich nur noch Gott überlassen. Doch das mit Fug und Recht.

Im neuen Bund, sagt der Prophet, werden die Weisungen Gottes nicht mehr auf Stein geschrieben wie am Sinai, sondern ins Herz der Menschen und in ihren Sinn. DieTora Gottes wird verinnerlicht: „Ich gebe meine Tora in ihr Inneres, und auf ihr Herz schreibe Ich sie. Ich werde ihnen zum Gott, und sie werden Mir zum Volk“ (Jer 31,33b.c).

Mit Herz meint die Bibel nicht romantische Gefühlsduselei. Das Herz ist vielmehr der Motor, der innerste Antrieb des Menschen. So betonen auch die jüdische Ausleger, dass Gott eben die Absicht verfolge, seinem Volk den Willen und die Neigung zum Einhalten der göttlichen Tora zu schenken, damit sie – anders als bisher – keines der Gesetze mehr übertreten.

Wenn das Bündnis ins Herz geschrieben wird, dann wird es zum innersten Antrieb, wird Teil der Persönlichkeit; im Herzen werden „die guten und schlechten Vorsätze geformt“. Gesetze, die für immer gelten, müssen „ins Herz eindringen und den ganzen Menschen ergreifen“. „Israel wird Gott verehren und zu Seinem Volk werden.“ – „Israel ist es, das sich ändern muss und ändern wird.“ Mit Gottes Hilfe – oder sollen wir sagen: mithilfe des Hl. Geistes? – kann der Mensch endlich seiner Verantwortung gerecht werden, denn wollen und vollbringen wachsen von Gott her in ihn / in sie hinein.

Auch der neuen Bund basiert auf der Tora. „Der neue Bund ist der alte“. Auch im neuen Bund wird es Fehltritte geben, braucht es Vergebung und Neuanfänge. Wir bleiben sündige Menschen. Aber wir tragen Gottes Gesetz im Herzen, es sei denn, wir wenden uns bewusst wieder davon ab.

Martin Buber charakterisiert den neuen Bund aus Jeremias „Trostbüchlein“ so: „Wenn Gott dem Volk sein Wort ins Herz gibt, bedarf es keiner Sicherung mehr.“ Denn die Verinnerlichung des Bundes führt einen Menschen zur Ehrfurcht und Erkenntnis Gottes. Die Tora wird zur „organischen Funktion der Persön­lichkeit“; „ebenso natürlich und spontan wie die Schläge des Herzens werden nun die Annäherungen zum Gesetz Gottes …“

Die Jünger Jesu haben den neuen Bund sehr früh mit Jesu Leben, Leiden und Sterben in Verbindung gebracht. Jesus selbst spricht ja von ihm im Abendmahlssaal, als er den Jüngern den Kelch reicht. Er begründete diesen neuen Bund mit der Haltung des unbedingten Vertrauens, das ihn selbst noch in Gethsemane Gottes Willen zustimmen lässt.

Doch auch das Leben Jesu spricht immer wieder von Liebe und Vertrauen: „Du sollst Gott lieben mit allen Fasern deines Seins, ebenso wirst du doch auch den Nächsten lieben, er ist doch wie du!“ – Die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes, wird Paulus in Röm 13,10 formulieren – und in der Meditation des Römerbriefes auch Augustinus und viele andere Lehrer der Kirche. So lässt sich die Tora im Doppelgebot der Liebe zusammenfassen.

Im Abendmahlssaal reicht er den Seinen das ungesäuerte Brot, das beim Pessach-Seder an die Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten erinnert. Nun sagt Jesus, dass sein eigener Leib wie Brot ist, das sich gibt, damit ein Leben in Freiheit, ja sogar in Freiheit von der Sünde und Gefangenschaft durch das Böse, möglich wird. Das Unmögliche wird ermöglicht durch Jesus, den Christus. Er reicht den Bundesbecher der Kinder Israels seinen Jüngern: Trinkt den neuen Bund! Was Jesus getan und gelehrt hat, vor allem aber wie er geliebt hat, wie er selbst noch seinen Peinigern vergeben hat, das wird lebendig in diesem neuen Bund.

Matthäus wird noch die Deutung hinzufügen „der neue und ewige Bund in meinem Blut“. Das ist in der Tat neu und unerhört und muss von uns immer wieder durchdacht und durchbetetwerden. Für heute mag das aber erst mal genügen...

Der neue Bund erfüllt sich, wo Menschen die Liebe wagen: Nicht weil ich jemand so furchtbar gern habe, sondern weil auch der andere Mensch ist wie ich, Gottes Kind, meine Schwester, mein Bruder: Ein von Gott geliebtes Kind. Wie dürfte ich da hassen? – Nein, lasst uns Christus nachfolgen! Lasst uns mit ihm den Weg der Liebe wagen. Unverbrüchlich! Amen.

10

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March

2024

Laetare - im Untergag das LEBEN!

Bruder Jeremias OSA

Predigt über 2 Chr 36,14-16.19-23
Eingang

Wir feiern den Sonntag Laetare – freut euch! Schon mehr als die Hälfte des Weges durch die österliche Bußzeit ist geschafft. Mit den Worten aus dem Pro­pheten Jesaja beginnt heute der Gottesdienst:

„Freue dich, Stadt Jerusalem! Seid fröhlich zusammen mit ihr, alle, die ihr traurig wart. Freut euch und trinkt euch satt an der Quelle göttlicher Tröstung.“

Zur Mitte der Fastenzeit spüren wir schon die Vor­freude auf Ostern, das Fest unserer Erlösung. Gott erfüllt uns nicht einfach unsere Wünsche. Er gibt uns mehr, als wir erbitten. Er gibt seinen Sohn für uns.

IHM dürfen wir schon heute, hier und jetzt, begeg­nen. Er spricht sein Wort zu uns. Er wird uns ge­schenkt in Brot und Wein. Er selbst stärke uns, damit wir auch im Alltag fähig sind, Antwort zu geben auf Gottes Wort: durch unser Tun. – Möge sein Erbar­men uns jetzt erfül­len.

Lesung aus dem 2. Buch der Chronik (2 Chr 36,14-16.19-23)
In jenen Tagen
14 begingen alle führenden Männer Judas
und die Priester und das Volk viel Untreue.
Sie ahmten die Gräueltaten der Völker nach
und entweihten das Haus,
das der HERR in Jerusalem zu seinem Heiligtum gemacht hatte.
15 Immer wieder hatte der HERR, der Gott ihrer Väter,
sie durch seine Boten gewarnt;
denn er hatte Mitleid mit seinem Volk und seiner Wohnung.
16 Sie aber verhöhnten die Boten Gottes,
verachteten sein Wort
und verspotteten seine Propheten,
bis der Zorn des HERRN gegen sein Volk so groß wurde,
dass es keine Heilung mehr gab.
19 Die Chaldäer verbrannten das Haus Gottes,
rissen die Mauern Jerusalems nieder,
legten Feuer an alle seine Paläste
und zerstörten alle wertvollen Geräte.
20 Alle, die dem Schwert entgangen waren,
führte Nebukadnézzar in die Verbannung nach Babel.
Dort mussten sie ihm und seinen Söhnen als Sklaven dienen,
bis das Reich der Perser zur Herrschaft kam.
21 Da ging das Wort in Erfüllung,
das der HERR durch den Mund Jeremías verkündet hatte.
Das Land bekam seine Sabbate ersetzt,
es lag brach während der ganzen Zeit der Verwüstung,
bis siebzig Jahre voll waren.
22 Im ersten Jahr des Königs Kyrus von Persien
sollte sich erfüllen,
was der HERR durch Jeremía gesprochen hatte.
Darum erweckte der HERR
den Geist des Königs Kyrus von Persien
und Kyrus ließ in seinem ganzen Reich
mündlich und schriftlich den Befehl verkünden:
23 So spricht Kyrus, der König von Persien:
Der HERR, der Gott des Himmels,
hat mir alle Reiche der Erde verliehen.
Er selbst hat mir aufgetragen,
ihm in Jerusalem in Juda ein Haus zu bauen.
Predigt

Dieser Text hat es in sich. Er ist der Abschluss der Chronik-Bücher. Seine Autoren ziehen eine katastrophale Bilanz: Alle führenden Leute, aber auch das ganze Volk Israel selbst verursachten durch fortwährende Untreue das göttliche Strafgericht, das mit Nebu­kadnezzar von Babylon über das Land hereinbrach. Kein einziger König Israels wird in dieser negativen Gesamtbilanz ausgenom­men. Es werden keinerlei individuellen Unterschiede gemacht: Alle sind mitverantwortlich für die Katastrophe. Im Stil eines kühlen Nachrichtensprechers wird die Zerstörung Jerusalems und des Tempels, des Hauses Gottes, noch einmal beschrieben.

All das geschah, so die Autoren der Chronik-Bücher, obwohl Got­tes Boten, die Propheten warnten und zur Umkehr riefen. Doch nein, der Tempel wurde nicht etwa erst durch die Chaldäer ent­weiht: Schon vorher, und zwar durch Israel selbst, das sein wollte, wie alle anderen Völker, wurde er geschändet. Die Sklave­rei, aus welcher der HERR einst sein Volk in Ägypten befreit hatte, bleibt die logische Konsequenz: Der Zorn des HERRN war so groß gewor­den, dass es keine Heilung mehr gab (vgl. V. 16). Eine bittere Bilanz...

Die Geschichte Gottes mit Israel ruht. Es geht nicht mehr weiter. Es braucht Ruhe, über drei Generationen hinweg – 70 volle Jahre! – eine schier endlos lange Sabbatzeit. Keiner der Ver­schleppten erlebte das Ende dieser „Babylonischen Gefangen­schaft“. 70 Jah­re Sabbat! – Wir müssen darüber nachdenken, was die Chro­nisten ihrem Volk damit ins Stammbuch schreiben wollten.

Gerade die Zeit der Babylonischen Gefangenschaft wird für Israel am Ende zu einer besonderen Heilszeit. Dort im Zweistromland findet Israel zu einer neuen Identität, unabhängig von staatlicher Macht und Souveränität. Im Gegenteil: Mitten in der Krise und bar jeglicher Macht durchdenken seine Theologen die Überlie­fe­rung und Heils­geschichte mit ihrem HERRN und Gott noch einmal ganz neu. Sie finden zu einer Tiefe, wie sie vorher kaum zu erwarten war.

Da ist der Sabbat. Bis heute DAS Gebot für Juden, Zeichen jüdi­scher Identität, hochgehalten von allen, die als gläubige Juden le­ben wollen. Christen und Muslime bekamen von den Juden die­ses Gebot als Geschenk, freilich leicht verschoben auf den Freitag (Muslime; „Der beste Tag, an dem die Sonne aufgeht, ist der Freitag. Adam wurde an diesem Tag erschaffen, an diesem Tag ging er in Paradies und wurde wiederum an diesem Tag aus diesem verwiesen. Auch das Jüngste Gericht wird an diesem Tag anbrechen.“ (Imam Muslim)) oder auf den Sonntag (Christen), den „8. Tag“, den Tag der Auferstehung und Vollendung der Welt in Christus. Der Tag der Ruhe, die vielleicht größte soziale Errungen­schaft der Menschheitsgeschichte, ein wahres Gottesgeschenk für alle. Wir sollten es heute nicht leichtfertig über Bord werfen!

Eine uralte jüdische Legende erzählt, dass der Messias sofort komme, wenn auch nur einen Sabbat lang alle Juden dieser Erde den Sabbat halten würden. – Das bedeutet doch vielleicht: Einen Sabbat lang demütig einwilligen, dass es auf Gott ankommt und nicht auf unser rastloses Schaffen und Machen....

70 Jahre Sabbat in Babylon werden zu einem neuen Blick auf Gott und Welt. Den Chronisten wird klar, dass nichts und niemand als Gott bezeichnet werden kann, wenn dieser Gott nicht einer und ein einziger ist. „Außer mir gibt es keinen Gott!“ (Jes 44,6; Dtn4,35; Mk 12,29 etc.) Dieses klare wir trotzige Wort wird in Meso­potamien erstmals von Juden gespro­chen: der absolute Mono­theis­mus, die Er­kenntnis, dass Gott nur einer sein kann, der höchs­te und einzi­ge. Der HERR ist keine lokale Gottheit, die außer­halb des eigenen Territoriums machtlos wäre. ER ist der HERR der ganzen Welt!

In Babylon entstehen die Schöpfungserzählungen der Genesis. Nein, mit Absicht harmonisiert man nicht. Beide Geschichten be­leuch­ten einen speziellen Aspekt: Hier Gott, der allein mit seinem Wort alles ins Dasein ruft, dort Gott als Gärtner und Töpfer, der den Menschen formt und ihm sozusagen mit einem Kuss den Le­bens­atem einhaucht – um ihn dann gleich zum Part­ner zu ma­chen, der den Tieren ihre Namen gibt. Anders als in der Religion der babylonischen Sieger ist die Schöpfung kein kosmischer Un­fall, in der die Menschen leiden müssen, weil sie die Schuld der Götter zu tragen hätten. Der biblische Gott ist Schöpfer aus Liebe: Er ist die Liebe, die sich verströmt. Alles ist gut, ja sogar sehr gut.

Die ersten Bücher der Bibel werden in Mesopotamien zusammen­gestellt und kommen später in der bis heute vorliegenden Form zu­rück nach Judäa: der Pentateuch, die Tora, das Gesetz, das dem Leben dient: „Wähle das Leben!“ (Dtn 30,19), ist die  Botschaft, die im Buch Deuteronomium eindringlich ins Wort gehoben wird.

Und jetzt? Alles verloren? Der Mensch unfähig, Gottes Gebote zu halten? – 70 Jahre Sabbat für Gott: Nachsinnen über Gottes Wil­len und über das eigene Sein und Handeln. Sabbat-Zeit.

Das Chronik-Buch endet mit einem der kühnsten Gedanken, die in unserer Heiligen Schrift zu finden sind: „Der HERR erweckte den Geist des Königs Kyros von Persien“, lesen wir da (V. 22). Moment mal! Wie kann das denn sein: Der heidnische Großkönig wird von Gott in Dienst genommen?

Tatsächlich spricht auch das Kyros-Edikt davon, dass der König der Supermacht Persien, damals der mächtigste Mensch der Erde (!), im Sinne Gottes, des HERRN, handelt: „Der HERR, der Gott des Himmels, hat mir alle Reiche der Erde verliehen. Er selbst (!) hat mir aufgetragen, ihm in Jerusalem in Juda ein Haus zu bauen“ (V. 23). – Spricht Gott direkt mit Kyous, wie mit einem Propheten?

Wie ist das möglich, dass gläubige Juden in der Verbannung zu einer solchen Sicht der Geschichte kommen, ja Heilsgeschichte entdecken im Wirken einer fremden Macht? Der heidnische Großkönig Kyros wird förmlich zum Vorbild des Gehorsams. Anders als die Könige Israels, denen die Demut fehlte, gehorcht er Gottes Befehl und lässt in Jerusalem den neuen Tempel bauen.

Dieser Neuanfang wird alles andere als großartig ausfallen. Das wissen die Chronisten bereits. Das Buch Esra, das dem zweiten Chronik-Buch folgt, beschreibt die Tränen, die beim Tempelweih­fest fließen. Das neue Gotteshaus ist nur noch ein Schatten des früheren Tempels. Aber das Buch Esra beginnt mit exakt densel­ben Versen wie die Chronikbücher geendet hatten. Entscheidend ist nicht die äußere Pracht. Entscheidend ist: Gott hat einen langen Atem. ER bleibt treu! Unbedingt. ER schreibt Seine Heils­geschichte auch auf den krummen Zeilen, die sein Volk IHM anbietet.  

Das dürfen auch wir uns ins Stammbuch schreiben lassen: Gott vergisst uns nicht. ER steht zu Seinem Wort. ER ist der „unbeirrbar treue Gott“ (Dtn 32,4); das ist die Grundbotschaft der Bibel. Gerade in der äußersten Demütigung der Verbannung erkennt Israel dies in Babylon und hält es für uns eindrucksvoll fest.

An diesem langen Atem Gottes für uns möchte auch ich festhal­ten, wenn es in meinem Leben so scheint, als wäre Gott weit weg. Nein, unbeirrbar treu ist Gott. Er schreibt auch in meinem Leben, auf meinen krummen Zeilen Seine gerade, deutliche Heilsge­schichte. ER kann selbst aus dem, was mir widrig, ja feindlich ent­gegen kommt, Seinen Heilswillen durchsetzen. Das Fremde macht ER dienstbar für sich. Der Gegner kann zu dem werden, der mich auffordert, aufzubrechen, hinaufzuziehen in mein Jerusalem, wo ich in Demut IHM den Tempel neu errichten darf, das Haus, in dem Gott wohnen will. So wie ER Kyros den Israeliten zum Segen werden ließ.

Ob ich das erkennen mag? In Demut will ich mich zumindest er­mahnen und erinnern, dass Gott nicht meine Wünsche erfüllt, sicher aber mein und unser aller Heil im Sinn hat. Amen.

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March

2024

Die Zehn Worte am Sinai und der Tempel Gottes

Bruder Jeremias OSA

am 3. Fastensonntag B in der Brunnenkirche zu Erfurt

Fotos: Matthias Kiesl (Dom zu Lucca, Kanzel in Tangemünde), fr-barry-braum-ekowqf-lop8-unsplash und laura-seaman-bsIpE5LKA6Y-unsplash.